Einigungsamt, 1922-2006 (Fonds)

Archive plan context


Title:Einigungsamt
Inhalt und Form:Akten der Einigungskommissionen und des Einigungsamtes.
Andere Namen:Einigungskommission(en)
Creation date(s):1922 - 2006
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Aktenbildner:Nach der Abschaffung der Zunftgerichte (Kreisgerichte) im Jahre 1874 blieben sämtliche Versuche, eine staatliche Stelle einzurichten für die Schlichtung von Streitigkeiten zwischen den Arbeitnehmern eines Betriebes und dessen Inhabern, bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges erfolglos. Am 12. Dezember 1914 erliess der Regierungsrat des Kantons Zürich als Notmassnahme zur Behebung von Konflikten über Lohnreduktionen infolge der durch die Kriegswirren geschaffenen wirtschaftlichen Lage eine "Verordnung betreffend Schlichtung von Streitigkeiten über Lohnkürzungen und Dienstentlassungen" (s. ABl 1914, S. 1065-1067). Mit dieser wurden drei das ganze Kantonsgebiet umfassende regionale Einigungskommissionen (je eine für die Bezirke Zürich, Affoltern und Dielsdorf, für die Bezirke Horgen, Meilen, Hinwil und Uster sowie für die Bezirke Pfäffikon, Winterthur, Andelfingen und Bülach) geschaffen, die - nach der Wahl ihrer Präsidenten und Beisitzer (aus dem Gewerbe- und Handelsstand sowie der Industrie) durch den Regierungsrat - zu Beginn des Jahres 1915 ihre Tätigkeit aufnahmen. Schon bald zeigte sich aber, dass den Einigungskommissionen ein zu enges Tätigkeitsfeld zugewiesen worden war, konnten sie doch die zur hauptsächlichen Art von Lohnstreitigkeiten gewordenen Konflikte wegen Nichtgewährens von Lohnerhöhungen zur Ausgleichung der Teuerung nicht behandeln. Als Folge davon wurden die Einigungskommissionen ab 1916 praktisch nicht mehr beansprucht (s. RRB 2867 vom 05.11.1917).
Den Versuchen des Regierungsrates in den Jahren 1916 und 1917 zur Bildung eines kantonalen Einigungsamtes für die Schlichtung von Kollektivstreitigkeiten innerhalb der Fabrikindustrie (gemäss dem Bundesgesetz betreffend die Arbeit in Fabriken vom 18. Juni 1914) beziehungsweise zur Ausdehnung der Kompetenzen der Einigungskommissionen auf alle Streitigkeiten, die ihren Grund in der durch den Krieg geschaffenen Lage hatten, blieb die bundesrätliche Genehmigung versagt. Am 1. Februar 1918 jedoch ermächtigte der Bundesrat die Kantonsregierungen, auf dem Verordnungswege diejenigen Vorschriften zu erlassen, welche erforderlich seien, um die im eidgenössischen Fabrikgesetz vorgesehenen kantonalen Einigungsstellen auf den 1. April 1918 einzuführen. Da der Absicht des Regierungsrates, das Gesetz betreffend das kantonale Einigungsamt so rasch als möglich zur Volksabstimmung zu bringen, die Auffassung des Bundesrates, zum jetzigen Zeitpunkt habe nur eine provisorische Regelung stattzufinden, entgegenstand, verordnete der Regierungsrat am 9./18. März 1918, bis zum Inkrafttreten eines kantonalen Gesetzes über das Einigungsamt die Kompetenzen der bestehenden drei Einigungskommissionen so zu erweitern, dass diese im Falle von Kollektivstreitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern über das Arbeitsverhältnis sowie über die Auslegung und Ausführung von Gesamtarbeits- oder Normalarbeitsverträgen Schlichtungsverfahren durchführen konnten (s. OS 31, 1917-1920, S. 60-63; s. auch RRB 1573 vom 28.06.1918). Neben den Kollektivstreitigkeiten hatten die Einigungskommissionen in der Folge auch Streitigkeiten über die Berechtigung entlassener Arbeitnehmer für Arbeitslosenunterstützung, Streitigkeiten über die Pflicht der Arbeitgeber zur Zahlung von Beiträgen an die Arbeitslosenfürsorge sowie Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Beschäftigung Arbeitsloser bei der Ausführung von Notstandsarbeiten zu beurteilen (s. StAZH: O 144.1: Jahresberichte der Einigungskommissionen I, II und II 1919-1923).
Nachdem das Zürcher Stimmvolk am 18. Februar 1923 dem vom Regierungsrat vorgelegten Gesetz über das kantonale Einigungsamt die Zustimmung verweigert hatte (s. RRB 444 vom 28.02.1923), setzte der Regierungsrat, um dem eidgenössischen Recht Genüge zu leisten, den Gesetzesentwurf auf dem Verordnungsweg in Kraft (s. OS 32, 1918-1923, S. 454-463; s. auch RRB 1912 vom 09.08.1923 und RRB 2271 vom 27.09.1923). Das kantonale Einigungsamt mit Sitz in Zürich nahm im Herbst 1923 seine Tätigkeit auf und ersetzte somit die bisherigen drei Einigungskommissionen. Die personelle Besetzung des Einigungsamtes oblag dem Regierungsrat. Er wählte den aus einem neutralen Vorsitzenden und zwei Beisitzern bestehenden Vorstand, die Stellvertreter, mehrere von den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden vorgeschlagene Fachbeisitzer sowie das Kanzleipersonal. Jede wichtige Berufsgruppe sollte durch einen Fachbeisitzer vertreten sein, und es waren gleich viele Arbeitgeber wie Arbeitnehmer als Fachbeisitzer zu wählen. Führte das Einigungsamt ein Vermittlungsverfahren durch, konnte der Vorsitzende den Beizug von zwei Fachbeisitzern (immer ein Arbeitgeber und ein Arbeitnehmer) anordnen, welche beratende Stimme hatten. Die Zuständigkeit des Einigungsamtes umfasste alle Kollektivstreitigkeiten, welche das Arbeitsverhältnis betrafen und zwischen Inhabern von Betrieben im Kanton Zürich sowie auf zürcherischem Gebiet beschäftigten Arbeitern bestanden, unter der Voraussetzung, dass die entsprechenden Betriebe dem Fabrikgesetz unterstellt waren. Das Einigungsamt konnte auf Verlangen der Parteien, auf Anordnung des Regierungsrates oder von sich aus ein Vermittlungsverfahren durchführen. Der daraus hervorgehende Vermittlungsvorschlag war, wenn er von beiden Parteien angenommen wurde, rechtsverbindlich und wie ein gerichtliches Urteil vollstreckbar. Scheiterte die Vermittlung, konnte mit Einverständnis der Parteien ein Schiedsverfahren folgen. Das Schiedsurteil hatte die Wirkung eines Gerichtsurteils. Gegen das Urteil konnte Rekurs erhoben werden, wenn der Schiedsspruch auf unrichtiger Anwendung der Verordnung oder auf einer aktenwidrigen Annahme beruhte.
Am 16. Mai 1943 nahmen die Stimmberechtigten des Kantons Zürich in einer Volksabstimmung das Gesetz über das kantonale Einigungsamt an (s. OS 37, 1943-1947, S. 37-46). Die Bestimmungen der Verordnung von 1923 blieben dabei grundsätzlich bestehen, die Zuständigkeiten des Einigungsamtes wurden aber erweitert. Neu bezog sich die Vermittlungstätigkeit des Amtes bei Kollektivstreitigkeiten auch auf Betriebe, die nicht dem Fabrikgesetz unterstanden. Zudem wurden dem Einigungsamt Aufgaben im Zusammenhang mit den Kollektivvereinbarungen über das Arbeitsverhältnis zugewiesen, nämlich die Begutachtung von Gesamtarbeitsverträgen, deren Allgemeinverbindlicherklärung beantragt worden war, die Abfassung von Normalarbeitsverträgen sowie die Führung eines Registers der Normalarbeitsverträge, der Gesamtarbeitsverträge und der sonstigen kollektiven Vereinbarungen, deren örtlicher Geltungsbereich sich auf das Gebiet des Kantons Zürich erstreckte. Die Wahl der Mitglieder des Einigungsamtes war weiterhin Sache des Regierungsrates. Das Einigungsamt bestand wie zuvor aus einem neutralen Vorsitzenden, je einem Beisitzer aus Kreisen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, den entsprechenden Stellvertretern sowie der Kanzlei, es umfasste jedoch keine Fachbeisitzer mehr.
Hinsichtlich der Art und der Intensität der Belastung des Einigungsamtes lässt sich folgende Entwicklung feststellen: Praktisch gleichzeitig mit der Arbeitsaufnahme des Einigungsamtes Ende 1923 gingen die Arbeitslosenunterstützungs- und Beitragsstreitigkeiten, welche zuvor die Einigungsstellen am meisten beschäftigt hatten, infolge Aufhebung der entsprechenden Fürsorgeerlasse stark zurück, während andererseits die behandelten Kollektivstreitigkeiten zunahmen und komplizierter wurden (s. StAZH: Z 309.51: Jahresbericht des Einigungsamtes 1924). Bis 1937 hatte das Einigungsamt im Schnitt 35 Fälle von Kollektivstreitigkeiten pro Jahr zu bearbeiten. In den Kriegsjahren 1939-1942 nahm die Anzahl der Streitigkeiten ab, stieg danach wieder langsam an, um 1946 mit 56 Fällen den Höhepunkt zu erreichen. Ab 1949 wurden immer weniger Streitigkeiten vom Einigungsamt behandelt; ab 1953 überstiegen sie die Zahl von 10 und ab 1960 die Zahl von 5 nicht mehr. Das Einigungsamt wandelte sich infolgedessen von einer Abteilung der Volkswirtschaftsdirektion zunehmend zu einer Kommission, die ad hoc zur Schlichtung von Streitigkeiten zusammentrat.
Für die Besorgung der Administration des Einigungsamtes bestand bis Mitte 1958 die Stelle eines Sekretärs. Nachdem der Regierungsrat diese Stelle seit September 1951 nicht mehr besetzt hatte und ihre Aufgaben vorläufig auf zwei der Volkswirtschaftsdirektion beigegebene Juristen aufgeteilt hatte (s. RRB 1677 vom 26.06.1952), entschied er im Juni 1958, die Stelle aufzuheben und die für das Einigungsamt anfallenden Sekretariatsarbeiten zukünftig von der Direktionskanzlei der Volkswirtschaftsdirektion ausführen zu lassen (s. RRB 2040 vom 16.06.1958). Das Sekretariat des Einigungsamtes blieb in der Folge in der Direktionskanzlei beziehungsweise im Direktionssekretariat (Umbenennung 1970) und im Generalsekretariat (Umbenennung 1998) angesiedelt, bis es im Herbst 2004 dem Amt für Wirtschaft und Arbeit übertragen wurde (s. Geschäftsbericht des Regierungsrates 2004, S. 158).

Benutzte Literatur:
- Druckschriftensammlung III Bf 1 (Einigungsamt bzw. Einigungskommissionen 1892ff.)
- Illi, Martin. Von der Kameralistik zum New Public Management. Geschichte der Zürcher Kantonsverwaltung von 1803 bis 1998. Herausgegeben vom Regierungsrat des Kantons Zürich. Zürich 2008.
- Walder, Kurt. Die Schlichtung von kollektiven Arbeitsstreitigkeiten in der Schweiz. Diss. Basel, Affoltern am Albis 1949.

Benutzte Abkürzungen:
ABl: Amtsblatt des Kantons Zürich
OS: Offizielle Sammlung der seit dem 10. März 1831 erlassenen Gesetze, Beschlüsse und Verordnungen des Eidgenössischen Standes Zürich
RRB: Regierungsratsbeschluss
Fondsgeschichte:Der vorliegende Fonds besteht aus den, als Bestand Z 35, vom Pertinenzarchiv versetzten Signaturen O 166 - O 167, welche die Unterlagen des Einigungsamtes bis 1965 beinhalten und in den Jahren 1934, 1943, 1960 und 1976 von der Dirketionskanzlei der Volkswirtschaftsdirektion an das Staatsarchiv abgeliefert worden waren. 2007 wurde der Fonds durch eine Ablieferung vom Amt für Wirtschaft und Arbeit AWA (2007/089) ergänzt, die als Bestand Z 309 erschlossen wurde.
Währenddem aus der ersten Phase nach der Einrichtung der Einigungskommissionen, d. h. von 1914 bis Anfang 1918, aus unbekannten Gründen keine Akten in das Staatsarchiv gelangt sind, liegen aus der folgenden Zeitspanne bis 1923 fast sämtliche Entscheide sowie die Jahresberichte der Einigungskommissionen vor. Eine von wenigen Ausnahmen abgesehen zusammenhängende und lückenlose Überlieferung bieten ferner die Akten des Einigungsamtes betreffend Kollektivstreitigkeiten von 1923 bis 1947. Dabei ist nebst dem Protokoll der Verhandlung und dem Vermittlungsvorschlag meistens auch die Korrespondenz zwischen Einigungsamt, Arbeitnehmer (oder ihrer Organisation) und Arbeitgeber (oder ihrer Organisation) enthalten. Ab 1948 weist der Aktenbestand zur Tätigkeit des Einigungsamtes bei Kollektivstreitigkeiten Lücken auf: Bis 1962 sind zwar sämtliche Verhandlungsprotokolle sowie die Korrespondenz des Einigungsamtes mit den Konfliktparteien vorhanden, es fehlen jedoch die Vermittlungsvorschläge des Einigungsamtes. Aus der Zeit von 1965 bis 2000 wiederum liegt das Spruchbuch mit sämtlichen Vermittlungsvorschlägen vor, dafür finden sich zusätzliche Akten zu den durchgeführten Vermittlungsverfahren nur noch in Einzelfällen. Es ist anzunehmen, dass sich die fehlenden Unterlagen zurzeit noch in einem Archivraum der Volkswirtschaftsdirektion befinden.
Die Tätigkeit des Einigungsamtes im Bereich der Kollektivvereinbarungen ist durch die überlieferten Akten nur in beschränktem Masse dokumentiert. Derweil zur Prüfung der Inkraftsetzung von Normalarbeitsverträgen bislang praktisch keine Unterlagen abgeliefert worden sind, ist die Arbeit des Einigungsamtes im Zusammenhang mit Gesuchen um Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen zumindest ab Ende der 1980er-Jahre gut belegt. Bezüglich der für das Gebiet des Kantons Zürich gültigen Gesamtarbeitsverträge und sonstigen kollektiven Vereinbarungen ist eine zusammenhängende Sammlung aus dem Zeitraum der 1940er- bis 1970er-Jahre vollständig überliefert.
Die Versetzung von O 166 - O 167 als Bestand Z 35 ins Provenienzarchiv erfolgte im Jahr 2000. Anlässlich der Einarbeitung von Z 309 wurde der bestehende Fonds neu strukturiert und detailliert erschlossen. Die Erschliessung der beiden Bestände wurde unter der Leitung von Matthias Wild von Philippe Frei von Januar bis April 2008 vorgenommen.
Related material:O 144 - O 170 Volkswirtschaftsdirektion, Einigungskommissionen (Einigungsamt)
Z 11 Direktionssekretariat, Kollektivstreitigkeiten
Bestände:Z 35, Z 309
Level:Fonds
 

Related units of description

Related units of description:Siehe:
Kollektivstreitigkeiten, 1918-1926 (Klasse)

Fortsetzung von:
O 144 - O 170 Volkswirtschaftsdirektion, Einigungskommissionen (Einigungsamt), 1918-1975 (Fonds)
 

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