Stehli Seiden AG, Seidenweberei, Obfelden, 1856-2015 (Fonds)

Archive plan context


Title:Stehli Seiden AG, Seidenweberei, Obfelden
Inhalt und Form:Das Firmenarchiv der Stehli Seiden AG besteht hauptsächlich aus administrativen Unterlagen, wie den Protokollen der Generalversammlung und des Verwaltungsrates, Kontobüchern, Jahresabschlüssen, Salärbüchern und Lohnblättern sowie Unterlagen zur Pensionskasse, Korrespondenz und Unterlagen zur Öffentlichkeitsarbeit. Darüber hinaus enthält das Firmenarchiv Verträge, Urkunden, Korrespondenz und Finanzunterlagen der Liegenschaften der Firma und der Pensionskasse. Aus dem Bereich Produktion und Vertrieb sind die Patente, Umsatzstatistiken und Inventare sowie Protokolle zu Fabrikbesuchen nennenswert. Schliesslich enthält das Firmenarchiv auch Verträge, Korrespondenz und Finanzunterlagen der verschiedenen Tochtergesellschaften sowie von Gesellschaften an denen die Firma Stehli beteiligt war.
Andere Namen:R. Stehli-Hausheer (1837-1869)
R. Stehli-Hausheer und Sohn (1869-1892)
Stehli und Co. (1892-1957)
Stehli Seiden AG (ab 1958)
Creation date(s):1856 - 2015
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Aktenbildner:1837 baute Rudolf Stehli-Hausheer (1816-1884) in Oberlunnern in der Gemeinde Obfelden ein Fabrikgebäude mit Wohnung und Comptoir, das so genannte Gwerb. Auf 30 Bandwebstühlen wurden baumwollene und wollene Tücher hergestellt. Der Absatz dieser Baumwolltücher war aber wenig lukrativ und so wurde ab 1840 auf Seide umgestellt. Da die 30 Stühle bald nicht mehr genügten, beschäftigte er ausserhalb der Fabrik Weber und Winder. Um diese auszubilden errichtete er 1858 in einem Saal des 1841 aufgehobenen Klosters Muri eine kleine Webschule. 1860 waren in Muri und Umgebung 200 Webstühle in Betrieb. Gleichzeitig baute er das Exportgeschäft nach Buenos Aires, Montevideo, Bahia, Rio de Janeiro, New York und Konstantinopel aus.
Als 1860 sein erst 21 Jahre alter und bereits in der Firma tätiger Sohn Robert Stehli starb, rief er seinen jüngeren Sohn Emil Stehli-Hirt (1842-1925) aus seiner Ausbildung in Lyon nach Obfelden zurück, um den Platz des verstorbenen Bruders einzunehmen. Emil Stehli-Hirt übernahm 1869 die Geschäftsführung, womit der Name der Firma auf R. Stehli-Hausheer und Sohn geändert wurde. Im darauffolgenden Jahr zog Emil Stehli-Hirt mit seiner Familie von Obfelden nach Zürich und richtete an der Bahnhofstrasse ein Verkaufsbüro ein.
Nach einem kurzen Rückschlag aufgrund der amerikanischen Finanzkrise und des Sezessionskrieges von 1861 bis 1865 folgte ein rasanter Aufschwung. England führte den Freihandel ein und wurde zum bedeutendsten Absatzgebiet. Als kurz darauf auch Frankreich Seidengewebe zollfrei einführen liess, verbesserten sich die Exportverhältnisse weiter. 1876 sandte Emil Stehli-Hirt den Solothurner Max Frölicher - einen späteren Teilhaber der Firma - nach New York, um die Interessen der Firma zu vertreten, was dieser mit grossem Erfolg tat.
In Obfelden fand während dieser Zeit die Mechanisierung der Fabrik statt. 1871 kaufte Emil Stehli-Hirt die ersten 24 mechanischen Seidenwebstühle und 1880 baute er ein zweistöckiges Webereigebäude. Im Erd- und Obergeschoss wurden 300 mechanische Webstühle und im Dachgeschoss die erforderlichen Spul- und Windmaschinen installiert. Da im Sortiment von Stehli die schweren Taffet- und Faillegewebe fehlten, richtete die Firma 1875 für diese Stoffe einen sogenannten Lyonerstuhl ein. Der Erfolg war so gross, dass während der nächsten fünf Jahre insgesamt 500 Lyonerwebstühle aufgestellt wurden.
Der Absatz verlief sehr erfolgreich, sodass sich Emil Stehli-Hirt 1886 entschloss, die Weberei mit einem Neubau für weitere 300 Webstühle zu vergrössern. Da damit auch der Verbrauch von Rohmaterial anstieg, kaufte er 1884 im italienischen Germignaga eine Seidenspinnerei mit Seidenzwirnerei. Technische Fortschritte ermöglichten es, 1887 die Winderei fabrikmässig zu betreiben und erforderten den Bau eines neuen Windereigebäudes in Obfelden, in dem die Granthaspelung die fabrikmässige Winderei ermöglichte.
Der zunehmende Absatz in den Vereinigten Staaten von Amerika brachte Produktionsengpässe. Um diese zu überwinden, wurden 1890 in Oberarth SZ eine Fabrik, Arbeiterwohnhäuser und ein Angestelltenhaus gebaut. 550 Personen fanden hier eine Beschäftigung.
1892 übergab Emil Stehli-Hirt die Geschäftsführung an seinen Sohn Robert Stehli-Zweifel (1865-1951) und dessen Schwager Max Frölicher-Stehli. Der Name der Firma wurde deshalb auf Stehli und Co. geändert.
1897 begannen die Vereinigten Staaten von Amerika ihre Industrie mit Einfuhrzöllen zu schützen. Da Robert Stehli-Zweifel überzeugt war, dass die Nachfrage in Amerika weiterhin zunehmen werde, kaufte er 1897 in Lancaster (Pennsylvania) Land und baute etappenweise eine Fabrik für 1000 amerikanische Webstühle. Eine Gruppe von Arbeitern und Webermeistern aus den Fabriken von Obfelden und Oberarth SZ wanderten nach Lancaster aus, und Emil J. Stehli, der jüngere Sohn von Emil Stehli-Hirt, übernahm die Leitung dieser Fabrik. Ein weiterer Versuch in Paterson wurde 1912 nach drei Jahren mit Verlusten aufgegeben und dafür nach High-Point verlegt.
Um die hohen Einfuhrzölle für Exporte nach Deutschland zu umgehen, baute die Firma 1903 im deutschen Erzingen eine Halle für 260 Webstühle. 1925 erhob auch England wieder Schutzzölle, dadurch waren die Geschäfte, die Stehli mit England tätigte, nicht mehr möglich. Ähnliches geschah mit dem Kanada-Geschäft. Der Zusammenbruch der New Yorker Börse 1929 verstärkte die Krise. Der Totalexport der Schweizer Seidenware fiel von 200 Millionen im Jahre 1927 auf 11 Millionen im Jahre 1935. Die Fabrik in Arth SZ musste geschlossen werden und wurde samt den Arbeiterhäusem verkauft. Bereits drei Jahre später stieg der Export jedoch wieder an und mitten im Zweiten Weltkrieg, 1940, wurde sogar ein Produktionsrekord von 1.7 Millionen Metern verzeichnet. Aus diesem Grund wurde 1942 ein neuer, stützenfreier Bau errichtet und die Fabrik technisch ausgebaut.
1951 starb Robert Stehli-Zweifel und sein Sohn Robert Heinrich Stehli-Pestalozzi (1898-1973) übernahm die Geschäftsführung. Dieser wandelte die Firma 1958 in eine Aktiengesellschaft um, die sich noch heute im Familienbesitz befindet. 1966 zog die Administration von Zürich wieder zurück nach Obfelden.
Inzwischen hatten sich die Bedingungen auf dem Textilmarkt verändert. Die Produktion war technisch einfach, aber arbeitsintensiv, deshalb stiegen Länder mit tiefen Lohnkosten in die Textilproduktion ein. Gleichzeitig begannen japanische Firmen mit der Produktion von Polyester- und Nylonprodukten. Aufgrund des zunehmenden Wettbewerbs musste die Firma 1954 ihre amerikanische Tochter und 1969 die Fabrik in Erzingen (Deutschland) verkaufen.
Als Robert Stehli-Zweifel 1973 starb, befand sich die europäische Textilindustrie in einem Schrumpfungsprozess. Gleichzeitig sackten die Währungen der beiden Hauptabsatzmärkte, der amerikanische Dollar und das britische Pfund, auf fast die Hälfte ab. Als Folge davon musste die Produktion in Obfelden zwischen 1975 und 1977 schrittweise eingestellt werden. Der 1975 in die Geschäftsleitung eingetretene Beat A. Stehli-Zollikofer (1945-1993) strukturierte die Firma um. Mit 25 noch verbliebenen Mitarbeitern entwickelte er weiterhin Textilkreationen. Dazu kaufte er rohe Garne, reine Seide und Kunstseide ein und liess diese in verschiedenen Webereien verarbeiten. 1987 übernahmen Beat Stehli und Hans Ulrich Stehli den grössten Schweizer Konkurrenten, die Seidenweberei Stünzi Söhne in Lachen. Die Webereikapazität konnte damit verdoppelt werden.
1993 verstarb Beat A. Stehli-Zollikofer und 1994 musste die Weberei Stünzi in Lachen SZ aufgegeben werden. Die Schutzzölle der EWR-Länder gegen die Nichtmitgliedstaaten machten das Geschäft zum Verlust. Produktion und Verkauf wurden ein Jahr später nach Italien verlegt.
In Germignaga (Italien) hatte Hans Ulrich Stehli nach dem Tod seines Vaters Robert Stehli-Zweifel (1865-1951) die Fabrik mit 500 Mitarbeitern übernommen. Er straffte die Führung und baute Stellen ab. Ab 1980 konnten wieder schwarze Zahlen verzeichnet werden. Die Setifici Stehli wurde in eine Produktionsfirma Multipla und eine Handelsfirma Fintesco umgewandelt. Beide Firmen arbeiteten erfolgreich bis 2001, wurden dann aber an eine Turiner Finanzgruppe verkauft und rund zwei Jahre später liquidiert.
Barbara Stehli-Zollikofer (geb. 1952) führte seit dem Tod ihres Mannes mit einem kleinen Team noch einige Jahre den Textillagerverkauf und den Fabrikladen weiter. Heute verwaltet das Unternehmen seine unter Denkmalschutz stehenden und neu gebauten Liegenschaften auf dem ehemaligen Betriebsareal in Obfelden.

Firmenvorsitzende:
1837-1869 Rudolf Stehli-Hausheer (1816-1884)
1869-1919 Emil Stehli-Hirt (1842-1925)
1919-1951 Robert Stehli-Zweifel (1873-1949)
1951-1962 Robert Heinrich Stehli-Pestalozzi (1898-1973)
1962-1975 Hans Ulrich Stehli
1975-1994 Beat A. Stehli-Zollikofer (1945-1993)
ab 1993 Barbara Stehli-Zollikofer (geb. 1952)

Benutzte Quellen und Literatur:
Stehli-Zweifel, Robert: Stehli und Co., 100 Jahre Seidenindustrie Stehli und Co., Zürich und New York, 1840-1940, Zürich 1940.
Hug, Willy: Seidendynastie Stehli, in: Anzeiger aus dem Bezirk Affoltern, 05.01.2007, 09.01.2007, 16.01.2007 und 19.01.2007.
Fondsgeschichte:Ende 2011 lancierte die Zürcherische Seidenindustriegesellschaft ZSIG auf Anregung des Staatsarchivs Zürich ein Projekt, um die Bestände der Zürcher Seidenindustrie nachhaltig zu sichern, zu verzeichnen und einer interessierten Öffentlichkeit dauernd zugänglich zu machen. Hierfür gingen die ZSIG, das Schweizerische Nationalmuseum SNM und das Staatsarchiv eine Projektpartnerschaft ein. Nach dem gemeinsam entwickelten Modell gehen Geschäftsakten, Familienunterlagen und Fotografien ins Staatsarchiv; textile Bestände, Musterbücher und Objekte ins SNM.
Das Firmenarchiv der Stehli Seiden AG wurde dem Staatsarchiv zusammen mit dem Familienarchiv von Barbara Stehli-Zollikofer am 18. Juni 2015 geschenkt (Ablieferung 2015/095) und als Bestand Z 772 von Pascal Pauli zwischen Februar und August 2017 erschlossen.
Legal status:Einzelunternehmen (1837-1869)
Kollektivgesellschaft (1869-1957)
Aktiengesellschaft (ab 1958)
Access regulations:Es gelten die gleichen Einschränkungs- und Schutzfristen wie für staatliche Unterlagen. Einsichtsbewlligungen für noch nicht zur Benutzung freigegebene Unterlagen erteilt schriftlich Barbara Stehli-Zollikofer oder eine gültig bezeichnete Stellvertregung.
Related material:Stünzi Söhne, Seidenweberei, Horgen
Bestände:Z 772
Level:Fonds
Weblinks:Website der Stehli Seiden AG
 

Related units of description

Related units of description:Siehe:
Stünzi Söhne, Seidenweberei, Horgen, 1842-2013 (Fonds)

Siehe:
Stehli, Familie, von Obfelden, 1870 (ca.)-2012 (Fonds)
 

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