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Stehli, Familie, von Obfelden, 1870 (ca.)-2012 (Fonds)
Title: | Stehli, Familie, von Obfelden |
Inhalt und Form: | Der Fonds besteht hauptsächich aus Unterlagen zur Familiengeschichte, Zeitungsausschnitten, Glückwunschkarten und Todesanzeigen sowie Fotografien der Familienmitglieder. Es handelt sich nur um einen Teil des Familienarchivs. Weitere Unterlagen befinden sich im Besitz der Familie. |
Creation date(s): | approx. 1870 - 2012 |
Running meters: | 1.33 |
Number: | 113 |
Aktenbildner: | Die Familie Stehli ist eine Seidenindustriellenfamilie von Obfelden. Das Geschlecht wird erstmals 1321 in Rifferswil erwähnt. In Obfelden wurde 1416 Hensli als erster Stehli genannt. Die Familie erhielt 1490 das Zürcher Bürgerrecht und übte im 16. und 17. Jahrhundert fast ununterbrochen das Untervogtamt von Maschwanden aus.
Der erste Seidenindustrielle der Familie war Rudolf Stehli-Hausheer (1816-1884), Sohn des Jakob Stehli (1768-1836) und der Anna Barbara Grob (geb. 1777). Nach Abschluss einer kaufmännischen Lehre wurde er zunächst Weinhändler. 1837/38 gründete er eine Baumwollweberei in Obfelden, entschied sich aber 1840 von der Baumwollweberei zur Seidenweberei zu wechseln. Neben seinem Beruf engagierte er sich in der Politik und war 1843-1860 Bezirksgerichtspräsident von Affoltern, 1860-1865 Bezirksstatthalter, 1843-1878 liberaler Zürcher Kantonsrat, 1868-1869 Verfassungsrat und 1867-1869 Nationalrat. Weiter war er Präsident der Gemeinnützigen Gesellschaft des Bezirks Affoltern und versuchte 1857 Alfred Escher und die Schweizerische Nordostbahn für eine Albislinie zu gewinnen. Aus seiner 1836 geschlossenen Ehe mit Emerentia Hausheer (1808-1877) gingen drei Kinder hervor, Sophia (geb. und gest. 1837), Rudolf Robert (1839-1861) und Emil Stehli (1842-1925).
Emil Stehli besuchte die Industrieschule in Zürich, bevor er zu seiner weiteren Ausbildung an die Seidenwebschule nach Lyon ging. Zusammen mit seinem älteren Bruder Rudolf Robert sollte er dem Vater im Geschäft zur Seite stehen. Nachdem sein Bruder 1862 unerwartet früh starb, wurde er noch vor Beendigung seiner Lehrzeit nach Obfelden zurückberufen. 1863 erhielt er die Prokura in der väterlichen Firma und heiratete im gleichen Jahr Margaretha Hirt (1842-1918), von Solothurn. 1869 wurde er zum Teilhaber ernannt und siedelte 1870 mit seiner Familie von Obfelden nach Zürich über. Seine berufliche Leistung lag in der Erschliessung neuer Absatzgebiete, namentlich in Südamerika, New York und Konstantinopel sowie in der Mechanisierung des Betriebes im Jahr 1871 und der Anschaffung von Jacquard-Webstühlen im Jahr 1879. Nachdem sein Vater 1884 gestorben war, ging die Firma ganz auf ihn über. Im gleichen Jahr begann die Firma im Ausland Fuss zu fassen. In Germignaga bei Luino (Italien) erwarb er eine Spinnerei und Zwirnerei. Später folgte eine Fabrik in den Vereinigten Staaten von Amerika sowie in Deutschland. Für die Angestellten seiner Firma richtete er verschiedene Fonds für Alters- und Pensionszwecke sowie für Beiträge an Ferien ein. Aus seiner Ehe mit Margaretha Hirt (1842-1918) gingen sechs Kinder hervor, unter anderem Robert (1865-1951) und Emil J. Stehli (geb. 1868), denen er 1919 die Leitung des Geschäfts übertrug.
Robert Stehli wurde nach Abschluss des Gymnasiums in Grenchen an die Webschulen in Zürich und Krefeld geschickt. Daraufhin führten ihn Studien- und Ausbildungsjahre nach Lyon, Paris, Mailand, London und New York, bevor er 1889 als Prokurist in das väterliche Seidenfabrikationsgeschäft eintrat. 1892 wurde er gleichzeitig mit seinem Schwager Max Frölicher-Stehli, (1886-1913) Teilhaber der Firma. Unter seiner Leitung wurde 1890 die Fabrik in Arth SZ und 1897 diejenige in Lancaster (Vereinigte Staaten von Amerika) errichtet, deren Leitung sein Bruder und Associé Emil J. Stehli übernahm. 1903 gründete er die Fabrik in Erzingen (Deutschland) und zwanzig Jahre später richtete er in Germignaga (Italien) eine Weberei ein - im gleichen Betrieb in dem die Firma schon seit 1884 Seide spann und zwirnte. 1917 gründete er die Pensionskasse der Firma. Da sein Schwager Max Frölicher-Stehli 1913 starb und sein Vater 1919 in den Ruhestand trat, trug Robert Stehli-Zweifel, zusammen mit seinem damaligen Associé Max Frölicher-Koechlin (1886-1943), lange die Hauptlast des Unternehmens. Er engagierte sich in diversen Berufsverbänden. So war er unter anderem Mitgründer und Präsident des Verbandes Schweizerischer Seidenstofffabrikanten sowie Präsident der Zürcherischen Seidenindustriegesellschaft ZSIG und Präsident des Verwaltungsrates der Seidentrocknungsanstalt Zürich. Daneben spielte er eine führende Rolle in der Internationalen Seidenvereinigung und bekleidete 1929 den Posten eines Präsidenten des Internationalen Seidenkongresses in Zürich. Er war Mitglied des Vororts des Schweizerischen Handels- und Industrievereins, Handelsrichter am Handelsgericht Zürich und Bankrat der Schweizerischen Nationalbank. Im Militär bekleidete er den Rang eines Oberstleutnants und war Regimentskommandant des Feldartillerie-Regiments 9. In seiner Freizeit ging er auf die Jagd. Aus seiner 1891 geschlossenen Ehe mit Emy Zweifel (1873-1949), Tochter des Henry Zweifel (1838-1927) und Emilie Wild (1848-1918), die er in London kennen lernte, wo sie mit ihren Eltern lebte, gingen sechs Kinder hervor, vier Mädchen und zwei Knaben, Robert Heinrich (1898-1973) und Alfred Emil Stehli (1902-1988), die später die Leitung der Firma übernahmen.
Robert H. Stehli absolvierte nach dem Besuch des Freien Gymnasiums in Zürich die Seidenwebschule in Lyon und verbrachte anschliessend einige Jahre in Paris, London und New York. 1925 kehrte er in die Schweiz zurück und trat ins väterliche Seidenunternehmen ein. Seine Geschäftstätigkeit war bestimmt durch die zunehmenden Existenzprobleme der Textilindustrie. Nachdem sein Vater 1951 gestorben war, musste er den einst grossen Geschäftszweig in den Vereinigten Staaten von Amerika aufgeben. Später führte die Konzentration des Unternehmens auch zum Verkauf der deutschen Niederlassung in Erzingen. Robert H. Stehli-Pestalozzi war in diversen Berufsverbänden tätig. Schon mit 31 Jahren wurde er in den Vorstand des Verbandes Schweizerischer Seidenfabrikanten berufen, den er von 1937 bis 1965 präsidierte. Der Zürcherischen Seidenindustriegesellschaft ZSIG stand er von 1963 bis 1968 vor. Er vertrat die Seidenindustrie im Vorstand des Zentralverbandes Schweizerischer Arbeitgeber, der Schweizerischen Handelskammer und als Delegierter bei der Wirtschaftsförderung. Von ihrer Neugründung 1948 bis 1970 gehörte er dem Direktorium der Internationalen Seidenvereinigung an. Unter seiner Leitung wurde 1964 in Zürich ein internationaler Seidenkongress durchgeführt. Weiter gehörte er zu den Gründern der Internationalen Vereinigung der Kunstfaserverbraucher AIUFAS und war von 1958 bis 1960 deren Präsident. Privat verschrieb er sich schon früh der Paneuropa-Bewegung von Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi (1894-1972), war Mitglied des Zürcher Rotary-Club, jagte in seinem Revier (Obfelden-Maschwanden) und spielte Golf. Schon in der Mittelschule zeigte er eine ausserordentliche mathematische Begabung. In seiner Freizeit galt sein Interesse deshalb der Mathematik, davon zeugen Bücher und Abhandlungen über mathematische Probleme. Dank seinen mathematischen Fähigkeiten wurde er im Militär der Artillerie zugeteilt, wo er bis zu Oberstleutnant avancierte. Aus seiner 1928 geschlossenen Ehe mit Magdalena Pestalozzi (1906-1982), von Zürich, gingen drei Kinder hervor, Robert (geb. 1930), Henriette (geb. 1932) und Hans-Ulrich Stehli (geb. 1934). Mit seiner Familie bezog er 1934 ein neu erbautes Haus in Zürich-Wollishofen.
Sein Bruder, Alfred Emil Stehli, studierte nach dem Besuch der Freien Schule und des Freien Gymnasiums einige Semester Chemie, wandte sich dann aber ebenfalls der Seidenfabrikation zu. In Lyon erwarb er sich textiltechnische Kenntnisse. Ferner besuchte er Italien, Paris, London und New York, um auf den ausschlaggebenden Märkten die Verhältnisse für den Absatz der Seidenprodukte kennenzulernen. Als Abschluss seiner Studien unternahm er per Schiff und Eisenbahn eine Weltreise mit Aufenthalten in Japan und China. Nachdem er 1928 in die väterliche Firma eingetreten war, wo sein Vater, sein Bruder Robert und sein Vetter Max Froelicher-Koechlin bereits tätig waren, wurde er 1932 Teilhaber der Firma. Ihm wurde die Leitung der Webereien in Italien übertragen, eine Aufgabe, die er bis 1973 behielt. In Italien konnte er seine geschäftlichen Interessen mit seinem Sinn für Kultur, Kunst und die südliche Landschaft verbinden. Nachdem sein Bruder gestorben war, übernahm er 1973 (mit 72 Jahren) das Präsidium der Stehli-Gruppe sowie des Verwaltungsrates der Stehli Seiden AG. 1977 stellte er die Produktion von Seidenstoffen in der Schweiz ein und verlegte sie in die Fabrik in Germignaga (Italien). In seiner Freizeit war er Jäger und Kunstliebhaber. Er sammelte mittelalterliche Kunst und pflegte Bekanntschaften und Freundschaften mit Schweizer Malern und Bildhauern der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. 1942 heiratete er Susanne Kaufmann (geb. 1921), die Tochter des Arztes Willy Kaufmann und der Lilly Ernst. Der Ehe entsprangen vier Kinder, zwei Söhne und zwei Töchter, Beat (geb. 1945), Martin (geb. 1946), Christine (geb. 1948) und Susanne (geb. 1951). 1948 baute er für sich und seine Familie ein Haus im Düggel in Küsnacht ZH.
Sein ältester Sohn, Beat A. Stehli-Zollikofer (1945-1993), trat 1975 in die Geschäftsleitung des Familienunternehmens ein und strukturierte die Firma um. Zusammen mit 25 noch verbliebenen Mitarbeitern entwickelte er weiterhin Textilkreationen. Dazu kaufte die Firma rohe Garne, reine Seide und vermehrt auch Kunstseide und liess diese in verschiedenen Webereien verarbeiten. 1987 übernahmen Beat Stehli und Hans Ulrich Stehli den grössten Schweizer Konkurrenten, die Aktiengesellschaft Stünzi Söhne in Lachen SZ. Aus seiner Ehe mit Barabara Zollikofer (geb. 1952) gingen vier Kinder hervor, Claudia (geb. 1978), Bettina (geb. 1980), Julia (geb. 1983) und David Stehli (geb. 1985). 1996 wurde auch die Kreation und der Vertrieb eingestellt. Seither verwaltet die Firma die unter Denkmalschutz stehenden Liegenschaften in Obfelden.
Benutzte Literatur: Stehli, biografischer Artikel in: HLS |
Fondsgeschichte: | Ende 2011 lancierte die Zürcherische Seidenindustriegesellschaft ZSIG auf Anregung des Staatsarchivs Zürich ein Projekt, um die Bestände der Zürcher Seidenindustrie nachhaltig zu sichern, zu verzeichnen und einer interessierten Öffentlichkeit dauernd zugänglich zu machen. Hierfür gingen die ZSIG, das Schweizerische Nationalmuseum SNM und das Staatsarchiv eine Projektpartnerschaft ein. Nach dem gemeinsam entwickelten Modell gehen Geschäftsakten, Familienunterlagen und Fotografien ins Staatsarchiv; textile Bestände, Musterbücher und Objekte ins SNM. Die Unterlagen zur Familie Stehli wurden dem Staatsarchiv zusammen mit dem Firmenarchiv der Stehli Seiden AG von Barbara Stehli-Zollikofer am 18. Juni 2015 geschenkt (Ablieferung 2015/095) und als Bestand Z 773 von Pascal Pauli zwischen Februar und August 2017 erschlossen. |
Access regulations: | Es gelten die gleichen Einschränkungs- und Schutzfristen wie für staatliche Unterlagen. Einsichtsbewlligungen für noch nicht zur Benutzung freigegebene Unterlagen erteilt schriftlich Barbara Stehli-Zollikofer oder eine gültig bezeichnete Stellvertregung. |
Related material: | Stehli Seiden AG, Seidenweberei, Obfelden |
Bestände: | Z 773 |
Level: | Fonds |
Weblinks: | Artikel im HLS |
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Related units of description |
Related units of description: | Siehe: Stehli Seiden AG, Seidenweberei, Obfelden, 1856-2015 (Fonds)
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Usage |
Permission required: | [Leer] |
Physical Usability: | Uneingeschränkt |
Accessibility: | [Leer] |
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URL for this unit of description |
URL: | https://suche.staatsarchiv.djiktzh.ch/detail.aspx?ID=3679819 |
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