Adelige Gesellschaft, 1508-1960 (ca.) (Fonds)

Archive plan context


Title:Adelige Gesellschaft
Inhalt und Form:Eine lückenlose Protokollserie seit 1655, Jahresrechnungen seit 1535, Zinsbücher sowie Statuten und Mitgliederverzeichnisse des 19. Jahrhunderts bilden den Schwerpunkt des Fonds der Adeligen Gesellschaft und dokumentieren die Verwaltung und soziale Zusammensetzung der Gesellschaft. Daneben finden sich auch Unterlagen zu Infrastruktur und Unterhalt sowie wenige Dokumente zur Geselligkeit.
Andere Namen:Adeliche Gesellschaft
Gesellschaft zum Rüden
Herrentrinkstube zum Rüden
Stübli
Related corporations/Families/Persons:Gesellschaft zur Constaffel
Creation date(s):1508 - approx. 1960
Running meters:5.81
Number:245
Aktenbildner:Die Adelige Gesellschaft schloss sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts als adeliger Kern der Gesellschaft zur Constaffel ab. Die Constaffel war mit der Brunschen Umwälzung von 1336 als Körperschaft des bisher herrschenden städtischen Meliorats gegründet worden, das nun den zünftisch organisierten Handwerkern die Hälfte der Ratssitze überlassen musste. Als im Lauf des 15. Jahrhunderts die berufsständisch-zünftischen Führungsschichten weiter an Macht gewannen, wurde mit dem Vierten Geschworenen Brief von 1489 die Zahl der Sitze im Kleinen Rat für die Constaffel auf vier vermindert. Gleichzeitig wurde die Gesellschaft zur Constaffel, die vorher ein lockerer Personenverband gewesen war, formalrechtlich als politische Körperschaft den Zünften gleichgestellt. Mit ihren überragenden wirtschaftlichen und sozialen Ressourcen übten die Mitglieder der Constaffel aber weiterhin entscheidenden Einfluss auf die städtische Politik aus, der ihren prozentualen Anteil an der Macht weit überstieg.

Die Constaffel und damit auch die Adelige Gesellschaft residierte im Haus zum Rüden am Limmatquai 42, das um 1348/1349 erbaut wurde. Das Haus entstand an der Stelle des städtischen Münzhauses, das auf Ratsbeschluss der «Trinkstube in Lunkhofens Haus» übergeben wurde, einer der Trinkstuben, in denen sich die Angehörigen der Constaffel trafen. Die Constaffel sollte im neuen Bau im Gegenzug ein gemauertes Erdgeschoss für öffentliche Zwecke errichten. Es handelte sich dabei um eine offene Laubenhalle, die aus drei Bogen bestand und wahrscheinlich einen Brunnen aufwies. Auch der im ersten Obergeschoss erbaute Rüdensaal mit hölzerner Flachtonne diente in der Folge immer wieder als Ratsstube, wenn das Rathaus umgebaut wurde, und als öffentliche Tagungsstätte. Die repräsentativen Funktionen für die Stadt zeigen, wie eng die Constaffel im Spätmittelalter mit der städtischen Führung verbunden war. Das Haus zum Rüden erlebte mehrere Umbauten und Modernisierungen und wechselte bei der Auflösung der alten Constaffel 1878 bis 1937 in die Hand der Stadt.

Um den sozialen Ort der Herrentrinkstube zum Rüden herum, die seit 1400 nachweisbar ist, bildete sich in der Gesellschaft zur Constaffel mit der Adeligen Gesellschaft eine aristokratische Führungsgruppe heraus, die weitgehend die Geschäfte der Constaffel übernahm. Die Herrentrinkstube (auch «Gesellschaft zum Rüden», «Stübli»), die anfänglich noch für bürgerliche Aufsteiger offen gewesen war, nahm seit 1638 kaum mehr neue Mitglieder auf und nannte sich seit dem frühen 18. Jahrhundert «Adelige Gesellschaft».

Damit grenzte sich der aristokratische Kern der Constaffel von den weiteren Mitgliedergruppen ab: Einerseits hatte die Constaffel bereits 1417 die sogenannte Gemeine Constaffel, eine religiöse Bruderschaft mit verschiedenen sakralen, militärischen und karitativen Aufgaben gegründet, die sich gemäss einem Ratsbeschluss von 1490 auch nicht zünftisch eingebundenen Angehörigen der Unterschichten und Randgruppen öffnen musste. Damit wurde die Gemeine Constaffel zu einem breiten Sammelbecken sowohl von Angehörigen der Unterschichten wie auch von Hintersassen (Einwohner ohne volles Bürgerrecht) und Angehörigen der nichtzünftischen Oberschichten. Obwohl die Gemeine Constaffel mit der Reformation keine Bruderschaft mehr war, blieb sie als Institution bis 1798 erhalten. Andereseits wurde die Mitgliedschaft in der Constaffel ab dem 16. Jahrhundert auch für Angehörige der nichtadeligen städtischen Elite interessant. Solche Stadtbürger mit politischem und ökonomischem Einfluss wurden nun als sogenannte Stubenhitzer aufgenommen. Sie gehörten der politischen Körperschaft vollwertig an, ohne Vollmitglieder im adligen «Stübli» zu sein. Dieser Teil der Constaffel wurde ab Ende des 16. Jahrhunderts als Bürgerliche Constaffel bezeichnet. Er wies neben den seit 1490 berechtigten Stadtbürgern aus Dienstleistungs- und Handelsberufen ohne Zunftanbindung und niederen städtischen Beamten viele angesehene Mitglieder aus regimentsfähigen Familien auf. Auch die Bürgerliche Constaffel schloss sich zunehmend ab. Sie bestand im 18. Jahrhundert praktisch nur noch aus regimentsfähigen Mitgliedern der städtischen Oberschichten, schloss im Gegensatz zur Adeligen Gesellschaft aber Kaufleute und Unternehmer ein.

Die Zweiteilung der regimentsfähigen Mitglieder der Constaffel in die Adelige Gesellschaft einerseits und die Bürgerliche Constaffel andererseits war Teil einer Aristokratisierung der Oberschichten in der Frühen Neuzeit, die sich in dieser Zeit in der ganzen Eidgenossenschaft beobachten lässt. Die Mitglieder der Adeligen Gesellschaft bildeten in diesem Prozess ein abgeschlossenes Segment. Während in der spätmittelalterlichen Stubengesellschaft eine breite städtische Elite vertreten gewesen war, umfasste die Adelige Gesellschaft seit dem 17. Jh. nur noch Mitglieder, die über eine Adelsanerkennung verfügten (mit königlichem oder kaiserlichem Wappenbrief, teilweise erfolgreicher Ahnenprobe und standesgemässer Lebensführung). Zu den Stüblifamilien gehörten unter anderem die Blarer von Wartensee, Escher vom Luchs, Göldi, Grebel, Meiss, Meyer von Knonau, Stapfer und Breiten-Landenberg. Das Selbstverständnis dieser Familien orientierte sich an der adeligen Kultur der europäischen Höfe und brachte ein spezifisch adeliges Geschichtsbild hervor: Die Mitglieder der Adeligen Gesellschaft setzten sich in direkte Kontinuität zu den Rittern und «Edelleuten» zur Zeit der Brunschen Zunftverfassung. Ihre männlichen Vertreter trugen den Junkertitel. Den Mitgliedern der Adeligen Gesellschaft, den sogenannten Stüblifamilien, standen allerdings nicht alle bürgerlichen Berufe offen. Ihre wirtschaftliche Grundlage bestand aus Einkünften aus Vermögen und Herrschaftsrechten, Gutsbetrieben, geistlichen und militärischen Karrieren und vor allem Staatsämtern. Die Regierungsämter der Stüblifamilien wurden gewohnheitsmässig mit Vogteien und Verwaltungsämtern in Klosterämtern und inneren Vogteien verbunden.

Mit ihrem Anspruch auf politische und ökonomische Macht standen die Mitglieder der Adeligen Gesellschaft in direkter Konkurrenz zu anderen Teilen der Zürcher Führungsschichten, die zwar ebenfalls von Renteneinkünften lebten, daneben aber stärker erweiterbare Erwerbsfelder entwickeln konnten. Diese Konkurrenz äusserte sich innerhalb der Constaffel in Konflikten mit der Bürgerlichen Constaffel. Auch wenn die beiden Teile der Constaffel verfassungspolitisch gesehen eine Einheit bildeten, trugen sie im 17. und 18. Jahrhundert mehrfach Konflikte um die Macht im städtischen Rat wie auch um den Besitz des Hauses zum Rüden aus. Das Haus zum Rüden wurde 1644 in einem Rechtsstreit der Adeligen Gesellschaft zugesprochen. Dabei stellte sich die Adelige Gesellschaft vor dem Rat erfolgreich als Rechtsnachfolgerin der «Trinkstube der Edelleute» dar, die im Stadtbucheintrag von 1348 zum Bau des Hauses zum Rüden erwähnt wurde, obwohl eine Kontinuität zwischen dieser Trinkstube und der später nachgewiesenen Herrentrinkstube oder Stubengesellschaft zum Rüden nicht erwiesen ist. Im Gegenzug wurden aber die Rechte der Bürgerlichen Constaffel am Silbergeschirr wie auch an der Nutzung des Gebäudes bestärkt. Überdies war die Bürgerliche Constaffel erfolgreich darin, den Anspruch ihrer regimentsfähigen Mitglieder auf politische Funktionen gegenüber der Adeligen Gesellschaft zu befestigen. So waren die Stüblifamilien zwischen 1571 und 1798 faktisch vom Bürgermeisteramt ausgeschlossen.

In der Helvetik wurde die Adelige Gesellschaft partiell aufgelöst. Nach der Auszahlung der Baranteile des Vermögens an die Mitglieder verwaltete eine Administrationskommission die Restbestände des Vermögens. Die Verwaltungskommission kümmerte sich zudem um die traditionellen Leichenträgerdienste und den Unterhalt der Feuerspritze. Das Haus zum Rüden, in dem während der Helvetik die Munizipalität getagt hatte, ging mit der Mediation in das alleinige Eigentum der Adeligen Gesellschaft über, da diese das Tenn (Erdgeschoss) von der ehemaligen, 1790 aufgelösten Constaffel gekauft hatte. Die alten Magistratsfamilien der Adeligen Gesellschaft nahmen überdies in der Wahlzunft zur Constaffel zahlreiche Schlüsselpositionen ein.

1822 gab sich die Adelige Gesellschaft erstmals Statuten als «Geschlechterverein» der damals noch existierenden Stüblifamilien. Dessen Haupttätigkeit war neben den geselligen Zusammenkünften die Haus- und Vermögensverwaltung. Das Haus zum Rüden wurde der Museumsgesellschaft vermietet, bis diese einen Neubau erstellte. Wegen der bevorstehenden Sanierung und Aufschüttung des heutigen Limmatquais stimmte die Gesellschaft 1868 einem Kaufangebot der Stadt Zürich zu, die im Haus Büros einrichtete und einen Teil dem Pestalozzianum vermietete. Nachdem sich ihre Tätigkeit immer mehr auf die Vermögensverwaltung beschränkt hatte, löste sich die Adelige Gesellschaft 1878 schliesslich auf. Das Vermögen wurde grösstenteils an die Gesellschafter verteilt. Im veränderten Umfeld des bürgerlichen Zürich hatte die alte Soziabilität der Stüblifamilien an Attraktivität verloren. Dagegen erhielt die Gesellschaft zur Constaffel ab 1841 zunächst als «Sechseläutenfonds» und ab 1899 als Verein ein neues Leben.
Fondsgeschichte:Der Bestand wurde circa 1936 für die Bearbeitung und Herausgabe der Quellen zur Zürcher Zunftgeschichte (bearb. von Werner Schnyder unter Mithilfe von Hans Nabholz, Bd. 1-2, Zürich: Berichthaus 1936) ins Staatsarchiv Zürich gebracht. Die Gesellschaft zur Constaffel übertrug als Erbin des Archivs der Adeligen Gesellschaft den Bestand zusammen mit dem Bestand der Constaffel (W I 15) und dem Familienarchiv der Escher vom Luchs (W I 17) im Dezember 1938 offiziell als Depositum ans Staatsarchiv Zürich. Zu diesem Zeitpunkt war die Adlige Gesellschaft bereits seit 40 Jahren aufgelöst; es folgten keine weiteren Ablieferungen von dieser Seite. Es liegt kein Depositumsvertrag vor. 2003 schenkte Hans Ulrich Heimgartner dem Staatsarchiv eine in den Bestand der Adeligen Gesellschaft gehörende Ratsurkunde von 1679 aus dem Nachlass von Hans Erb (W I 16.5, Ablieferung 2003/046 vom 04.06.2003).
Der Bestand wurde vom März bis Dezember 2021 von Daniela Saxer nacherschlossen.
Legal status:Körperschaft innerhalb der politischen Körperschaft der Gesellschaft zur Constaffel (16. Jh. bis 1798)
Verein (1822-1878)
Access regulations:Gemäss Hinterlegungsvertrag vom 11.04.2022 gelten die gleichen Schutzfristen wie für staatliche Unterlagen. Einsichtsbewilligungen für noch nicht zur Benutzung freigegebene Unterlagen erteilt schriftlich der Constaffelherr oder der Archivar der Gesellschaft zur Constaffel.
Publications:Illi, Martin: Die Constaffel in Zürich: Von Bürgermeister Rudolf Brun bis ins 20. Jahrhundert. Hg. Gesellschaft zur Constaffel in Zürich. Zürich: Verlag Neue Zürcher Zeitung 2003.
Related material:Gesellschaft zur Constaffel (Fonds), W I 15
Stadtarchiv Zürich, Bürgerbuch der Stadt Zürich, 1780-1809, VIII.E.1.
Bestände:W I 16
Level:Fonds
 

Related units of description

Related units of description:Siehe:
Gesellschaft zur Constaffel, 1349 (ca.)-2013 (Fonds)
 

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