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C I, Nr. 1695 (mit Beilage) Protokoll der Zeugenaussagen über Anna von Hewen, Äbtissin des Fraumünsters, wegen ihres Verhaltens im Zürichkrieg., 1444.04.16 (Dokument)
Identifikation und Inhalt |
Ref. code: | C I, Nr. 1695 (mit Beilage) |
Title: | Protokoll der Zeugenaussagen über Anna von Hewen, Äbtissin des Fraumünsters, wegen ihres Verhaltens im Zürichkrieg. |
Brief: | Protokoll der Zeugenaussagen über [Anna von Hewen], Äbtissin des Fraumünsters. Hanns Tigen sagt aus, dass die Äbtissin bereits im vorangehenden Krieg [1436/40] mit Einsidlen im Verkehr gestanden habe, wo dem Vernehmen nach die Schwestern für sie gewoben haben. Als man aus der Stadt gegen die Feinde zog, sprach sie: "Nun loeffent, dz gott welle dz ir alle erstochen werdent". Als die Äbtissin, der Leutpriester und er kürzlich in der Sakristei waren ("sigentor") bei der Truhe, in der die Siegel aufbewahrt werden, sprach sie: "In den casten oder fur den casten will ich der von Zurch glük beschliessen". Aus dem ganzen Verhalten der Äbtissin gewinnt man den Eindruck, dass sie den "Switzern" mehr Gutes wünscht als den Zürchern, denn wenn es Letzteren schlecht erging, war sie fröhlich, und wenn es ihnen gut erging, war sie traurig. Die [Kloster]frau von Tengen sagt aus, dass sie für die Zürcher gebetet habe, als es ihnen am 22. Juli [1443] an der [Schlacht bei St. Jakob an der] Sil schlecht ging. Da sei die Äbtissin gekommen und habe sie gefragt, was sie da tue und was sie es angehe, wenn 400 "puren" erstochen würden. Auch Junker Fridrich von Hewen, der Im Turn und der Tramer hielten sich damals bei der Äbtissin im Hof auf und waren erfreut, dass viele Zürcher umgekommen waren. Wenn sie richtig hörte, sprach Friedrich von Hewen: "Swester, ich gloub es sye uskomen, dz der uber die mur usgevallen ist"; ein Name wurde dabei aber nicht genannt. Als sie danach zusammen mit der Äbtissin in der "balchen" (Balkon?) lag und die Rede davon war, dass zwei Feinde erstochen worden seien, sprach die Äbtissin: "Nun louffent, dz ich gott betten, dz ir alle erstochen werdent, dz uch gott dz vallentübel geb, nun weis ich doch wol, dz ir amman Reding nit erstechen mugent, wan er mag uch nit werden"; die Warnung, jemand könnte ihre Aussage hören, beachtete sie nicht. Auch mit Kerzen und Messen trieb sie merkwürdige Dinge. Als die Feinde die Mühlen an der Sil anzündeten, war die Zeugin mit anderen Konventualinnen bei der Äbtissin im Hof, als es hiess, die "Switzer" wären in der Stadt, so dass einige ihre "ledly" (Kisten) hierher flüchteten. Da sprach die Äbtissin: "Wenent ir, dz ir hie sicher syent; sint sy in die statt kommen, so koment sy in die fryheit [= Asylbereich] wol und brent (?) alles dz umb, dz hie ist", war frohen Mutes und versicherte der Zeugin, sie brauche keine Angst zu haben. Für sie sei klar, dass die Äbtissin der Stadt nicht wohlgesinnt ist und auch keinen ihrem Stand gemässen Lebenswandel führt. Als man über den verstorbenen [d.h. hingerichteten] Hans Meiss zu Gericht sass, sprach die Äbtissin: "Wie tattend die lüt wider gott, ere und recht, dorumb muesten wir ungelukhaftig lut sin, den tag so wir geleptent", und als das Kloster der Stadt mit Korn aushelfen wollte, sprach sie: "Nun gand hin und nement den kern, das ich gott bitt, dz üch schand und laster niemer gebreste und ich das geleb". Ruodolff Schulthess sagt aus, dass die Äbtissin offensichtlichschwanger gewesen sei, als er mit ihr nach Gepingen in den "surbrunnen" [statt durchgestrichen: das "wild bad"] ritt. Später habe er für das Kind, das jetzt in Frouwenfeld ist und von Rudolf Meis stammt, eine Amme besorgt. Auch habe sie ihm für das Kind einen silbernen Becher übergeben, den sie aus ihrem eigenen Vermögen und nicht aus dem des Klosters gekauft habe. Am Schluss Namen weiterer Zeugen: Angnes Bulerin; Ann Zollerin, Jungfrau; Lienhart von Horgen; Rudolf Etter; Clewi Muelicher; der Biber; Tegen Pfister; Barbelly von Keiserstuol; Ruedy Widmer; Knecht von Schulthess (bei Lienhart und Etter folgt ein Vermerk betreffend Aussagen über die Messpraxis, bei den übrigen folgt - mit Ausnahme des Knechts - der Vermerk "d[icit] nüt"). Auf dem ersten Einzelblatt nähere Ausführungen über die Messpraxis der Äbtissin nach Aussage des Lienhart von Horgen und von Ruodolf Eter. Danach lies die Äbtissin vor militärischen Auszügen der Zürcher von zwei Priestern Messen lesen, wobei aus einem Büchlei n gelesen wurde, das die Äbtissin anschliessend wieder an sich nahm. Wenn es bei einem Auszug zu spät für eine Messe war, kniete sie nieder, küsste die Erde und sprach: "Nu hab ich die gesegnot, werent sy Zurich herren, so wurd ich gewalttigy frow Zuchrich (sic), got geb in gelúk und heill". Gemäss einer weiteren Aussage sprach die Äbtissin, als sich Schwitz und Oesterrich an der Letzi [von Horgen] gegenüberstanden: "Ich sprang zwey klaufter hinden Schwitz und lass Oesterrich faren, won es wer dz groest geluk, dz mich an möchte gan, wurdint die eidgnossen herren". Am Schluss wiederum Namen weiterer Zeugen: Simon; Hans Eigen; Kleuwy Muelecher; Knecht von Schulthess; der Biber; der Pfister; Barbyly von Keiserstuol (bei Simon und Eigen folgt ein Vermerk betreffend Aussagen über die Messpraxis). Auf dem zweiten Einzelblatt weitere Aussagen über Äusserungen der Äbtissin nach der Niederlage an der Letzi [von Horgen] ("Was gehebent ir uch ubel, stuend Zurich und Schwitz nebent einandren, ich sprung e zuo Schwitz den zuo Zurich") und über ihre Schwangerschaft. |
Creation date(s): | 4/16/1444 |
Number: | 1 |
Archival Material Types: | Urkunde/Urkundenabschrift |
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Dokumentspezifische Merkmale |
City: | Zürich, Fraumünster, Tengen, Frau von; Zürich, St. Jakob a. d. Sihl (Feldsiechen), Schlacht; Zürich, Tramer; Zürich, Ringmauer; Zürich, Bürger; Zürich, Mühle; Eidgenossen als "puren"; Zürich, Sihl, Mühle; Zürich, Fraumünster, Konventualinnen; Schwyz, Ammann, Reding, Ital; Eidgenossen als "Switzer"; Zürich, Thia, Hans; Zürich, Fraumünster, Kirchenasyl; Einsiedeln, Schwestern; Zürich, Fraumünster, Leutpriester; Zürich, Gericht, Zeugenaussagen; Zürich, Fraumünster, Sakristei; Zürich, Fraumünster, Hof; Zürich, Fraumünster, Äbtissin, Hewen, Anna von; Eidgenossen; Zürich, Schulthess, Rudolf, sein Knecht; Zürich, Fraumünster, Siegeltruhe; Zürich, Meiss, Hans; Kaiserstuhl, Barbeli; Zürich, Fraumünster, antizürcherische Messpraktiken; Österreich, Herrschaft; Horgen, Letzi; Zürich, Simon; Zürich, Eigen, Hans; Zürich; Zürich, Bäcker, Tägen; Zürich, Biber; Zürich, Schulthess, Rudolf; Zürich, Mülich, Clewi; Zürich, Etter, Rudolf; Zürich, Meiss, Rudolf; Horgen, Lienhard; Zürich, Zoller, Anna; Zürich, Bühler, Agnes; Frauenfeld; Gippingen, Bad; Zürich, Lebensmittelversorgung; Zürich, Widmer, Rüedi; Zürich, Fraumünster |
Personenregister URStAZH: | Bauern, als Kollektiv; Barbeli, von Kaiserstuhl; Biber; Bühler, Agnes; Eigen, Hans; Etter, Rudolf; Hewen, Anna von, Fraumünsteräbtissin; Hewen, Friedrich von, Freiherr; Im Turm; Lienhard, von Horgen; Meiss, Hans; Meiss, Rudolf; Mülich, Clewi; Reding, Ital d. Ä., Landammann von Schwyz; Schulthess, Rudolf; Simon; Tägen, Bäcker; Tengen, Frau von, Konventualin des Fraumünsters; Thia, Hans; Tramer; Widmer, Rüedi; Zoller, Anna |
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Weitere Angaben |
Kopien bzw. Reproduktionen: | Mikrofilm |
Publikationen: | Edition: Konstantin Moritz Langmaier, Das Zeugenprotokoll über die schwyzfreundliche Haltung der Fraumünsteräbtissin Anna von Hewen (ca. 1408-1484) während des Alten Zürichkriegs, in: Zürcher Taschenbuch NF 141, 2021, S. 11-38, hier S. 23-38 (mit Abb. 1); von Wyss, Abtei, Beilage Nr. 471 (nach einer Abschrift; fehlerhaft) Regest: URStAZH, Bd. 6, Nr. 9016 |
Level: | Dokument |
Ref. code AP: | C I, Nr. 1695 (mit Beilage) |
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Usage |
End of term of protection: | 4/16/1524 |
Permission required: | [Leer] |
Physical Usability: | Uneingeschränkt |
Accessibility: | [Leer] |
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URL for this unit of description |
URL: | https://suche.staatsarchiv.djiktzh.ch/detail.aspx?ID=435565 |
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