A 24 Handlungen sonderbarer Personen bzw. Kirchensachen: Pfarrer Jakob Redinger (1619-1688), 1648-1730 (Klasse)

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Ref. code:A 24
Title:Handlungen sonderbarer Personen bzw. Kirchensachen: Pfarrer Jakob Redinger (1619-1688)
Inhalt und Form:Zum Inhalt:
Johann Jakob Redinger wurde 1619 in Neftenbach als Sohn eines Schreiners geboren. Er durfte in Zürich Theologie studieren und diente von 1642 bis 1646 als Feldprediger in einem französischen Schweizerregiment. Von 1646 bis 1655 war er Pfarrer in Dietikon-Urdorf; die Stelle verlor er, weil er im Zusammenhang mit dem ersten Villmergerkrieg den dortigen katholischen Pfarrer gefangennahm. Von 1656 bis 1658 weilte Jakob Redinger in Amsterdam bei Amos Comenius (1592-1670) und erteilte an dessen Musterschule Unterricht; von 1658 bis 1664 war er Rektor der Lateinschule zu Frankenthal in der Pfalz. In dieser Zeit entstanden verschiedene Schulbücher im Sinne der Comenischen Didaktik und Pädagogik sowie zur Geschichte der Sprachen. Zum Verhängnis von Jakob Redinger wurde, dass er sich auch von den apokalyptisch-prophetischen Ideen des Amos Comenius überzeugen liess, wonach die Ausbreitung des Gottesreiches auf Erden unmittelbar bevorstehe und unter diesem Vorzeichen die Bekehrung der Juden und Türken erfolgen werde. Diesen Vorstellungen verschrieb sich Jakob Redinger völlig. Er unternahm deswegen Reisen an den französischen Königshof und nach Ungarn in das dortige türkische Heerlager und suchte unter anderem, auch den Kurfürsten von der Pfalz sowie Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich von seinen Visionen zu überzeugen. Über diesen rastlosen Umtrieben, zu denen die Forderung nach Werbung von eidgenössischen Truppen für den apokalyptischen Endkampf sowie schriftliche Angriffe auf Geistlichkeit und Ratsherren gehörten, verlor Jakob Redinger seine Rektorenstelle in Frankenthal und fiel auch bei seiner eigenen Zürcher Obrigkeit in Ungnade. Er wurde von seiner Familie getrennt und 1667 für die Dauer seines Lebens im Zürcher Spital gefangen gesetzt, wo auch Geisteskranke untergebracht waren. Hier verstarb Jakob Redinger im Jahr 1688 nach über zwanzigjähriger Haft, nachdem er sich nur während einer kurzen Zeit im Sommer 1680 hatte frei bewegen können.


Zur Bestandesgeschichte:
Der vorliegende Bestand besteht überwiegend aus Unterlagen von der Hand Jakob Redingers, aus dessen Eingaben an die Obrigkeit und aus Abschriften davon für eigene Zwecke. Autobiographische Aufzeichnungen Jakob Redingers bis zum Jahr 1668 finden sich in seinem umfassenden Bericht (A 24.4, Nr. 96), der von Leonhard Meister im Jahr 1775 als Diarium bezeichnet worden ist.
In der Stadtkanzlei bzw. der Ratsregistratur des 18. Jahrhunderts waren die Akten an zwei verschiedenen Orten abgelegt, nämlich unter den sogenannten Handlungen sonderbarer Personen (Kanzleiregister KAT 39, S. 445-450, Handlungen sonderbarer Personen, Trucke 516, Bündel 3 und 4, Acta betreffende Jacob Redinger) sowie unter den Religions- und Kirchensachen insgemein (Kanzleiregister KAT 37, S. 51, Religions- und Kirchensachen insgemein, Trucke 433, Bündel 1 b und 2, Handlung wegen Jakob Redingers geführten heillosen und verdächtigen Wandels, wie auch desselben getanen Offenbarungen und Prophezeiungen halben, 1665 etc.). Nach welchen Kriterien die Zuordnung vorgenommen worden war, ist unklar.
Am Ende des 19. Jahrhunderts wurden die vier Aktenbündel zum Bestand A 24 zusammengeführt bzw. vermischt und die Unterlagen chronologisch geordnet, jedoch nicht tiefer verzeichnet. Im Jahr 2016 erfolgte die konservatorische Behandlung, anschliessend die Ordnung und Einzelverzeichnung durch Meinrad Suter. Die Aktenordnung ist seither wieder jene des 18. Jahrhunderts, indem die Herkunft der Akten aus den verschiedenen Betreffen der ehemaligen Registratur (sonderbare Personen / Kirchensachen) rekonstruiert worden ist. Die Akten aus den Trucken betreffend Kirchensachen, die zuvor nicht einzeln verzeichnet waren, wurden dabei nach den wichtigsten Lebensabschnitten von Jakob Redinger geordnet.
Weitere Unterlagen betreffend Jakob Redinger finden sich in der Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich.


Literaturhinweise:
- Leonhard Meister, Über die Schwermerei. Eine Vorlesung, Bern 1775.
- Kritische Geschichte des Chiliasmus: Dritten Theils. Zweyter Band, Teil 3, Frankfurt 1783, S. 119-132.

- Friedrich Zollinger, Des Johann Amos Komenius Üblicher Vernunftschluss oder Schlussrede der ganzen Welt. Nach Akten des zürcherischen Staatsarchivs dargestellt, in: Zürcher Taschenbuch NF 19, 1896, S. 94-118.
- Friedrich Zollinger, Jakob Redingers reise in das Türkische Heerläger, wie es ihm dort, und in der rukreise ergangen 1664. Nach dem Original im Staatsarchiv Zürich veröffentlicht, in: Zürcher Taschenbuch NF 19, 1896, S. 215-250.
- Friedrich Zollinger, Johann Jakob Redinger und seine Beziehungen zu Johann Amos Comenius, Zürich 1905.

- Sundar Henny, Vom Leib geschrieben. Der Mikrokosmos Zürich und seine Selbstzeugnisse im 17. Jahrhundert, Köln 2016. (Darin S. 275-312: Prophetie und Biographie. Johann Jakob Redinger.)
- Katalin S. Németh, Neue Funde aus dem Nachlass von Johann Jakob Redinger, in: Daphnis 26, 1997, S. 519-523. [StAZH Bib. A 67.8]
- Katalin S. Németh, Magyar vonatkozású iratok Johann Jakob Redinger hagyatékában [Ungarischsprachige Dokumente im Nachlass von Johann Jakob Redinger], in: Kulturelle Bestrebungen in der frühen Neuzeit. Festschrift für Bálint Keserü, Szeged 1997 (Materialien zur Geschichte der Gesitesströmungen des 16.-18. Jahrhunderts in Ungarn. 35), S. 453-462 [StAZH Bib. A 67.6] (mit Auszügen aus Akten in A 24)
- Katalin S. Németh, Comenius elfelejtett propagandistái. Johann Jakob Redinger és Christian Hoburg [Die vergessenen Propagandisten von Comenius. Johann Jakob Redinger und Christian Hoburg], in: Irodalomtörténeti közlemények 1997, Nr. 1-2, S. 1-15 (mit deutscher Zusammenfassung) [StAZH Bib. A 67-5]
- Katalin S. Németh, Kiadatlan feljegyzés J. J. Redinger magyarországi útjáról [Unveröffentlichte Notizen J. J. Redingers über seine Reise durch Ungarn], in: R. Várkonyi Ágnes emlékkönyv, Budapest 1998, S. 358-367 [StAZH Bib. A 67.7]
- Basil Schader, Johann Jakob Redinger (1619-1688). Sprachwissenschafter und Pädagoge im Gefolge des Comenius, Zürich und München 1985.
- Klaus Schaller, Johann Jakob Redinger in seinem Verhältnis zu Johann Amos Comenius, in: Schweizerische-deutsche Beziehungen im konfessionellen Zeitalter. Beiträge zur Kulturgeschichte 1580-1650, hg. von Martin Bircher u. a., Wiesbaden 1984 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung. 12), S. 139-166.

Der Bearbeiter: Meinrad Suter, Januar 2023.
Creation date(s):1648 - 1730
Number:282
Level:Klasse
Ref. code AP:A 24
Weblinks:Zollinger 1896a
Zollinger 1896b
 

Related units of description

Related units of description:Siehe:
TAI 1.738; StadtAZH VIII.C. 4., EDB 1432 Redinger, Jakob, getraut mit Simmler, Barbara, 1647.02.15 (Dokument)

Siehe:
E II 35 a Acta 1667-1671 (Originaltitel), Teil 2, 1667-1671 (Dossier)
 

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End of term of protection:12/31/1810
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