Schiedskommissionen für Lohn- und Verdienstausgleich, 1940-1954 (Fonds)

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Title:Schiedskommissionen für Lohn- und Verdienstausgleich
Inhalt und Form:Rekursdossiers von 1940-1953 der Schiedskommissionen für Lohn-, für Verdienstersatz und für die Beamtenausgleichskasse.
Creation date(s):1940 - 1954
Aktenbildner:1. Die Lohn- und Verdienstersatzordnung von 1940
Mit Beschlüssen vom 20. Dezember 1939 (Lohnersatzordnung) und 14. Juni 1940 (Verdienstersatzordnung) schuf der Bundesrat eine Lohnausfallentschädigung für militärdienstleistende Arbeitnehmer bzw. eine Verdienstausfallentschädigung für militärdienstleistende Selbständigerwerbende. Dieses zusammenfassend "Erwerbsersatzordnung" geheissene Sozialwerk ersetzte bzw. ergänzte die bisherige "Notunterstützung" für bedürftige Angehörige von Wehrmännern; während die "Notunterstützung" den Charakter einer Armenbeihilfe hatte, bestand auf den nunmehrigen Lohn- bzw. Verdienstersatz ein Rechtsanspruch.
In den Jahren nach 1940 wurde der zunächst enger gefasste Geltungsbereich der Lohn- und Verdienstersatzordnung so erweitert, dass schliesslich das allgemeine Solidaritätsprinzip (was die Beitragspflicht anbelangte) durchgeführt war und (auf der Leistungsseite) alle erwerbstätigen Wehrmänner Anspruch auf Erwerbsersatz hatten; mit der "Studienausfallordnung" von 1945 erhielten zudem auch Studierende an den höheren Lehranstalten Anspruch auf "Studienausfallentschädigung".
Die Lohn- und Verdienstersatzordnung war "ohne Zweifel das grösste und populärste Sozialwerk" vor Einführung der AHV (Alters- und Hinterlassenenversicherung), stellt der amtliche Bericht über die Kriegswirtschaft 1939 bis 1948 fest. Es sei dadurch "das soziale Empfinden des Volkes" gestärkt und das "Zusammengehörigkeitsgefühl aller Schichten und Landesteile" vertieft, auf diese Weise der Weg für die Verwirklichung der AHV geebnet worden.
Der Vollzug der Lohn- und Verdienstersatzordnung oblag (nebst weiteren Organen des Bundes, der Kantone und der Gemeinden sowie der Armee) den von den Berufsverbänden und den Kantonen geschaffenen Ausgleichskassen. Diese etwa 100 Ausgleichskassen hatten die ihnen angehörenden Firmen und Personen zu erfassen, die Beiträge und Auszahlungen zu bemessen bzw. zu erheben und auszuzahlen.
Als kantonale Ausgleichskassen wurden vom Kanton Zürich errichtet die "Erwerbsausgleichskasse des Kantons Zürich" sowie die "Beamtenausgleichskasse des Kantons Zürich". Erstere war die Ausgleichskasse von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Selbständigerwerbenden, welche keiner Verbandskasse angehörten; letztere die Ausgleichskasse für das Personal der kantonalen Verwaltung bzw. weiterer öffentlichrechtlicher Körperschaften und Organe.
Mit Bundesbeschluss vom 31. Juli 1945 wurde die Lohn- und Verdienstersatzordnung über das Ende des Aktivdienstes hinaus verlängert und schliesslich auf den 1. Januar 1953 hin durch das Bundesgesetz über die Erwerbsausfallentschädigungen an Wehrmänner in der ordentlichen Gesetzgebung verankert. Die Aufgaben der bisherigen Wehrmännerausgleichskassen wurden gemäss Bundesratsbeschluss vom 23. Dezember 1947 bereits mit dem 1. Januar 1948 von den neuen AHV-Ausgleichskassen übernommen.

2. Die Rechtspflege: Schiedskommissionen als RekursinstanzenFür Streitigkeiten auf dem Gebiet der Lohn- und Verdienstersatzordnung wurden besondere Schieds- und Aufsichtskommissionen geschaffen. In erster Instanz entschieden die Schiedskommissionen der Verbände oder Kantone mit eigenen Ausgleichskassen, in oberer Instanz eidgenössische Aufsichtskommissionen. Diese Kommissionen hatten den Charakter von Spezialverwaltungsgerichten.
Dem Aufbau der Lohnersatzordnung gemäss verfügte jede Ausgleichskasse über je eine eigene Schiedskommission. Die kantonale Schiedskommission für den Lohnausgleich beurteilte Rekurse gegen Entscheide der Erwerbsausgleichskasse des Kantons Zürich (wohlgemerkt also nicht solche gegen Entscheide von Verbandsausgleichskassen). Die kantonale Schiedskommission für den Verdienstausgleich wiederum war Rekursinstanz gegen Entscheide betreffend den Verdienstausgleich, welche die kantonale Erwerbsausgleichskasse und (im Unterschied zu Streitigkeiten betreffend den Lohnausgleich) auch andere Ausgleichskassen fällten - hier fand das Territorialprinzip Anwendung (diekantonale Schiedskommission f ür den Verdienstausgleich war demnach zuständig für Rekurse aller Selbständigerwerbenden mit Betrieben im Gebiet des Kantons Zürich).
Eine eigene Schiedskommission eingesetzt wurde sinngemäss für die Beurteilung von Lohnersatzentscheiden der kantonalen Beamtenausgleichskasse.
Nach der Aufhebung der Wehrmännerausgleichskassen und der Übertragung von deren Aufgaben an die neuen AHV-Ausgleichskassen blieben gemäss Artikel 8 des Bundesratsbeschlusses über die einstweilige Weiterführung der Lohn- und Verdienstersatzordnung die bisherigen Schiedskommissionen nach bisheriger Regelung bestehen. Unter der neuen Erwerbsersatzordnung von 1953 wurden dann die kantonalen AHV-Rekurskommissionen und das eidgenössische Versicherungsgericht Beschwerdeinstanzen, während die bisherigen Schiedskommissionen bis zum 31. Dezember 1954 für Streitigkeiten zuständig blieben, die unter der Geltung der alten Bestimmungen eingetreten waren. Auf den 31. Dezember 1953 dann aber wurden auch die Schiedskommissionen aufgehoben, von den kantonalen Schiedskommissionen wurde damals ein unerledigter Rekurs per Präsidialverfügung an die AHV-Rekurskommission zur weiteren Behandlung überwiesen.
Die Schiedskommission für die Beamtenausgleichskasse scheint faktisch bereits 1948 aufgehoben worden zu sein (der Regierungsrat bestätigte in jenem Jahr nur noch die Mitglieder der kantonalen Schiedskommissionen für den Lohn- und Verdienstersatz).

3. Administration und Mitglieder der kantonalen Schiedskommissionen
In Ausführung der entsprechenden Bundesratsbeschlüsse erliess der Regierungsrat am 1. Februar 1940 und 18. Juli 1940 Verordnungen über die Lohnausfallentschädigung an aktivdiensttuende Arbeitnehmer sowie über die Verdienstausfallentschädigung an aktivdienstleistende Selbständigerwerbende, die beide auch Bestimmungen über die kantonalen Schiedskommissionen enthalten.Für die Schiedskommissionen des Lohn- und Verdienstersatzes zuständig war bis 1947 die Volkswirtschaftsdirektion, danach die neu errichtete Fürsorgedirektion; die Schiedskommission für die Beamtenausgleichskasse war administrativ der Finanzdirektion zugeteilt.
Die Sekretariatsgeschäfte aller Schiedskommissionen hingegen wurden von Beamten und Beamtinnen zunächst der Volkswirtschaftsdirektion, seit 1948 von solchen der neu geschaffenen Fürsorgedirektion übernommen. Namentlich waren dies Dr. Alfred Rossi (1940-1943), Dr. Heinz Schmidt (1943-1948), Dr. Margrit Hoerni (1948-1952) und Dr. Moritz Candrian (1952-1954).
Die Mitglieder der kantonalen Schiedskommissionen wurden vom Regierungsrat paritätisch gewählt nach Anhörung betroffener Berufsverbände und auf Antrag der zuständigen Direktionen.

4. Übersicht über die Mitglieder der zürcherischen Schiedskommissionen
4.1. Schiedskommission für die kantonale Lohnausgleichskasse
Präsidenten: Dr. Hermann Blass, Oberrichter, Horgen, 1940-1943; Dr. Walter König, Bezirksrichter, Zürich, 1943-1951; Dr. Oskar Bosshardt, Oberrekurskommissionspräsident, Zürich, 1951-1954
Stellvertreter des Präsidenten: Dr. Ernst Biedermann, Bezirksgerichtspräsident, Winterthur, 1940-1954; Dr. Paul Früh, Oberrichter, Rüschlikon, 1940-1943; Dr. Hans Vogel, Bezirksrichter, Zürich, 1943-1954
Arbeitgebervertreter: Karl Bryner, Schuhmachermeister, Zürich, 1940-1951; Walter Albonico, Mechanikermeister, Zürich, 1951-1954
Stellvertreter der Arbeitgebervertreter: Max Rüegg, Malermeister, Zürich, 1940-1954; Jakob Rutz, Metzgermeister, Winterthur, 1940-1951
Arbeitnehmervertreter: Willy Blum, Buchhalter, Zürich, 1940-1947; Hans Haldemann, Arbeitersekretär, Zürich, 1943-1954
Stellvertreter der Arbeitnehmervertreter: Josef Pelizzoni, Arbeitersekretär, Zürich , 1940-1951; Alfred Schläpfer, Städtischer Beamter, Winterthur, 1940-1954; Walter Gurtner, Arbeitersekretär, Schlieren, 1947-1954

4.2. Schiedskommission für Streitigkeiten betreffend Verdienstausgleich
Präsident: Dr. Hermann Blass, alt Oberrichter, Horgen, 1940-1943; Dr. Walter König, Bezirksrichter, Zürich, 1943-1951; Dr.
Oskar Bosshardt, Oberrekurskommissionspräsident, Zürich, 1951-1954
Stellvertreter des Präsidenten: Dr. Paul Früh, Oberrichter, Rüschlikon, 1940-1943; Dr. Hans Vogel, Bezirksrichter, Zürich, 1943-1954
Vertreter der Landwirtschaft: Hermann Farner, Bezirksgerichtspräsident, Oberstammheim, 1940-1954; J. Heusser, Landwirtschaftslehrer, Zürich, 1940-1943; Ernst Gugerli, Gemeinderatsschreiber, Äsch, 1943-1954
Stellvertreter der Landwirtschaft: Jakob Peter, Bezirksrichter, Dägerlen, 1940-1951; Alois Günthart, Bezirksrichter, Dällikon, 1940-1943; Albert Moos, Statthalter, Kloten, 1943-1954; Jakob Vollenweider, Landwirt, Wangen, 1951-1954Vertreter des Gewerbes: Dr. R. Böppli, Sekretär schweiz. Metzgermeisterverband, Zürich, 1940-1943; Julius Wirthlin, Präsident Zürcher Textildetaillistenverband, Zürich, 1940-1943; Hans Hotz, Elektroinstallateur, Zürich, 1943-1954; Karl Günthard, Spenglermeister, Uster, 1943-1954
Stellvertreter der Gewerbevertreter: Ernst Koch, Malermeister, Zürich, 1940-1954; C. Müller-Munz, Präsident Wirteverein Bezirk und Stadt Zürich, 1940-1943; Oskar Locher, Fabrikant, Zürich, 1943-1954

4.3. Schiedskommission für die Beamtenausgleichskasse
Präsident: Dr. Hermann Blass, alt Oberrichter, 1941-1943; Dr. Walter König, Bezirksrichter, Zürich, 1943-1948
Stellvertreter des Präsidenten: Dr. Paul Früh, Oberrichter, Rüschlikon, 1941-1943; Dr. Hans Vogel, Bezirksrichter, Zürich, 1943-1948
Arbeitgebervertreter: Dr. Reinhard Isler, Sekretär der Finanzdirektion, 1941-1947; Dr. Edwin Epprecht, Sekretär der Finanzdirektion, 1947-1948
Stellvertreter der Arbeitgebervertreter: Dr. Albert Genner, Gruppenchef kantonales Steueramt, 1941-1943; Dr. Fritz Fuchs, Chef kantonale Finanzkontrolle, 1943-1948
Arbeitnehmervertreter: Theodor Keller, Bezirksrichter, Zürich, 1941-1948
Stellvertreter der Arbeitnehmervertreter: Adolf Broder, Kanzleisekretär Kantonsspital, Zürich, 1941-1948
Fondsgeschichte:Der vorliegende Fonds geht zurück auf die 1973 von der Fürsorgedirektion (Abteilung AHV) in Form von 31 Paketen an das Staatsarchiv abgelieferten 2119 Rekursdossiers, die hier alle überliefert sind. Nicht vollständig überliefert ist hingegen der Akteninhalt dieser Dossiers, da er im Staatsarchiv zwecks Aktenredimensionierung vor seiner Endarchivierung teilweise kassiert wurde. Den vollständigen Akteninhalt tradieren sodann die Dossiers der Rekurse von 1940 und 1941, ca. 150 Stück. Die übrigen Dossiers hingegen enthalten nur noch die Schiedskommissionsentscheide und allenfalls die Entscheide der eidgenössischen Aufsichtskommissionen (s. u.).
Der Bestand Z 10, aus dem der vorliegende Fonds besteht, gehörte dereinst zur Archivabteilung N mit der Signatur N 550.1-6. Er ist nebst der hiesigen digitalen Verzeichnung über das archiveigene Findmittel zugänglich, das die Rekurrenten, Arbeitnehmer wie Arbeitgeber / Firmen, alphabetisch erschliesst (s. Z 10.2120).
Auch wenn alle Rekursdossiers, welche die Fürsorgedirektion dem Staatsarchiv ablieferte, hier verzeichnet sind, muss dennoch von einigen Überlieferungslücken ausgegangen werden, die wohl schon in den (Archiven der) Amtsstellen entstanden waren. Dies lassen zumindest die Lücken in den Laufnummern vermuten, mit denen die Rekursfälle versehen wurden. Diese Nummernvergabe muss zentral im Sekretariat geschehen sein, bevor die Fälle an die verschiedenen Schiedskommissionen zur Erledigung weitergewiesen wurden (s. Amtsgeschichte), denn sie ist kommissionsungebunden. Nur die (wenigen) Entscheide der Schiedskommission für die Beamtenausgleichskasse verfügen über eine eigene fortlaufende Nummerierung.
Beschwerde bei den Schiedskommissionen konnte erhoben werden zunächst gegen die Unterstellung unter die Lohn- und Verdienstersatzordnung sowie die Festsetzung der Höhe von Entschädigungen und Beiträgen, später gegen alle Verfügungen der Wehrmännerausgleichskassen. Bei einer Beschwerde galt es, die Berechtigung zu höherer Dienstentschädigung oder den Protest gegen die Unterstellung unter die Beitragspflicht zur Erwerbsersatzordnung zu begründen. Deshalb geben die inhaltlich vollständigen Dossiers der Rekurse 1940 und 1941 (s. o.) Auskunft über Lebensumstände rekurrierender Wehrmänner und die besondere Situation rekurrierender Firmen. Weniger aussagekräftig sind hingegen die Dossiers der Jahre 1942 bis 1954, da sie nur noch aus den formal gehaltenen Entscheiden der Schiedskommissionen bestehen (s. o.).
Publications:Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Erwerbsausfallentschädigungen an Wehrmänner (vom 23. Oktober 1951). In: Bundesbaltt 103 (1951), III. Band, S. 297-384. Bern 1952. StAZH DS I AAc 1
Holzer, Max. Die Lohn- und Verdienstersatzordnung während des Krieges. In: Die Schweizerische Kriegswirtschaft 1939/1948 : Bericht des eidg. Volkswirtschafts-Departements, S. 1002-1069. Bern 1950. StAZH DS I NNd 1
Offizielle Sammlung der Gesetze und Beschlüsse des Eidgenössischen Standes Zürich, Bd. 36, S. 199 ff. und S. 264 ff. StAZH DS ZH 210/36
Rechenschaftsberichte des Regierungsrates und Regierungsetetas des Kantons Zürich 1939 bis 1954. StAZH DS III AAh 1 und StAZH DS III AAf 1
Zeitschrift für Lohn- und Verdienstersatzordnung. Offizielles Organ des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit. Bern 1941 ff.
Level:Fonds
 

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