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Strafanstalt Regensdorf, 1828-2008 (Fonds)
Title: | Strafanstalt Regensdorf |
Inhalt und Form: | Insassendossiers und weitere Dokumente zum Strafvollzug bilden den Schwerpunkt der Überlieferung der Strafanstalt. Darunter befinden sich auch Unterlagen von Gefangeneninstitutionen und gefängnisinterne Druckerzeugnisse. Daneben besteht der Fonds aus Unterlagen der Gefängnisleitung und der Aufsichtskommission (Berichte, Protokolle, Korrespondenz und Personalunterlagen), Finanzakten, Dokumenten zum Anstaltsbetrieb sowie Bau- und Planungsunterlagen. Darüber hinaus sind auch Publikationen zur Geschichte der Anstalt sowie eine Sammlung wissenschaftlicher Fachpublikationen zum Strafvollzug erhalten. Dokumente zu den Rechtsgrundlagen sowie vereinzelt auch administrative Unterlagen reichen teilweise hinter die Gründung der Strafanstalt Regensdorf zurück und dokumentieren die Verhältnisse in der Vorgängerinstitution, der Strafanstalt Oetenbach in Zürich. |
Andere Namen: | Gefangenenhaus Oetenbach Strafanstalt Oetenbach Strafanstalt Pöschwies Justizvollzugsanstalt Pöschwies |
Creation date(s): | 1828 - 2008 |
Running meters: | 60.71 |
Number: | 4808 |
Aktenbildner: | 1896 beschloss der Regierungsrat die Verlegung der bisher in der Stadt Zürich gelegenen kantonalen Strafanstalt. Seit der Gründung des Kantons waren Gefängnisstrafen im ehemaligen Arbeits- und Zuchthaus Oetenbach vollzogen worden, das in der Frühen Neuzeit in den Gebäuden des früheren Frauenklosters in der Stadt Zürich eingerichtet worden war. Trotz mehreren Umbauten und Reorganisationen blieb der Strafvollzug im alten Gebäude über das ganze 19. Jahrhundert prekär. Die Anstalt verfügte über zu wenig Raum und war dauerhaft massiv überfüllt, die gesetzlichen Anforderungen des Strafvollzugs wie etwa die räumliche Trennung unterschiedlicher Gefangenengruppen konnten nicht umgesetzt werden. Die Situation bliebt trotz der sukzessiven Einrichtung von Bezirksgefängnissen seit 1834 und dem Ausbau der Strafanstalt in den Jahren 1868-1878 ungenügend. Mit der Verlegung sollte das Gefängnis aus dem Stadtzentrum verschwinden, andererseits sollte es aus praktischen Gründen im näheren Umfeld der Stadt erreichbar bleiben. Die Wahl fiel auf ein Gelände nordöstlich der Gemeinde Regensdorf, das direkt an einer Bahnlinie lag. Der Kantonsrat verabschiedete das Gesamtprojekt am 10.05.1898. Am 03.07.1898 wurde die Vorlage für den Bau der Strafanstalt Regensdorf in einer Volksabstimmung angenommen. Die Strafanstalt nahm 1901 ihren Betrieb in den neuen Gebäulichkeiten auf. Der vom Kantonsarchitekten Hermann Fietz umgesetzte panoptische Bau beruhte auf den Ergebnissen einer 1895 eingesetzten Spezialkommission, die umfangreiche Studien besonders in deutschen Gefängnissen betrieben hatte, und auf den Vorstellungen des Anstaltsdirektors Ferdinand Curti (1836-1921). Das Hauptgebäude bestand aus einem viergeschossigen Zentralbau, von dem vier Flügel sternförmig abgingen. Von der Aufsichtkanzel im Zentralraum aus waren die Innenräume umfassend überwachbar. Der Bau ging auf das Konzept der Einzelhaft zurück. Drei der Flügel beherbergten jeweils über vier Stockwerke hinweg die Einzelzellen, im vierten Flügel waren Verwaltungseinheiten und die Anstaltskirche mit doppelter Raumhöhe und offenen Sitzverschlägen untergebracht. Die Strafanstalt war von einer fünf Meter hohen Ringmauer umfasst und verfügte über gemeinsam genutzte Spazierwege und mehrere Nebengebäude. Unter ihnen befand sich der sogenannte Verwahrungsbau, der ursprünglich als Krankenhaus geplant war, in dem aber von Beginn weg Verwahrte untergebracht waren. Ab 1973 wurden dort neue Formen des Gruppenvollzugs erprobt. Ein weiteres Nebengebäude diente dem Frauenstrafvollzug; er wurde ab 1972 als Untersuchungsgefängnis verwendet. Die Strafanstalt Regensdorf stellte mit ihrer Gründung 350 Vollzugsplätze für Zuchthaus- und Arbeitshausstrafgefangene, in Ausnahmefällen auch für administrativ Verwahrte bereit. Darüber hinaus wurden auch leichtere Gefängnisstrafen vollzogen: Für diese waren zwar die Bezirksgefängnisse vorgesehen, doch wegen beschränkter Kapazitäten musste auf die kantonale Anstalt ausgewichen werden. Die Abteilung für weibliche Gefangene blieb über den ganzen Zeitraum hinweg sehr klein, sie wurde 1972 aufgelöst und die weiblichen Gefangenen in die Strafanstalt Hindelbank BE überführt. Das Zürcher Strafsystem sah seit der Einführung des neuen Strafgesetzbuches von 1871 einen progressiven Strafvollzug und die Möglichkeit bedingter Entlassung vor. Die Mischung aus vorwiegenden Einzelhaft- und einigen Gemeinschaftshaftelementen, die daraus hervorging, prägte auch den Vollzug in der Strafanstalt Regensdorf. Die Häftlinge arbeiteten tagsüber zwar in Gruppen, sofern sie nicht in Isolationshaft waren, dabei bestand aber ein Schweigegebot. Die Mahlzeiten und die Freizeit wurden in den Einzelzellen verbracht. Die Strafgefangenen durchliefen während ihrer Haft verschiedene Stufen, die von der anfänglichen vollständigen Einzelhaft über die Teilnahme an verschiedenen gemeinschaftlichen Tätigkeiten und Anlässen bis hin zur Verleihung verschiedener Privilegien auf der obersten Haftstufe verliefen. Eine Anstaltsschule, die bis 1963 unter der Leitung des hauptamtlich angestellten Pfarrers stand, bot Unterricht für vorwiegend junge Strafgefangene. Zu Beginn betrieb die Anstalt keine Landwirtschaft. Ab 1905 konnten erste Häftlingsgruppen mit besonderen Privilegien ausserhalb der Mauern bei Bauprojekten und auf Feldern arbeiten. 1917 pachtete die Anstalt einen Gutsbetrieb beim Katzensee, in dem Gefangene der letzten Vollzugsstufe arbeiteten; das Gut wurde 1929 gekauft. In der Anstalt selbst wurden in verschiedenen Werkstätten Handwerksarbeiten produziert. Die Aufsichtskommission der Strafanstalt Regensdorf überwachte den Anstaltsbetrieb, wählte die Angestellten und begutachtete Entlassungsgesuche. Sie bestand aus dem Vorsteher des Gefängniswesens als Präsident und sechs vom Regierungsrat gewählten Mitgliedern sowie aus Beamten der Anstalt in beratender Funktion. Beamtenstatus hatten der Direktor, der Verwalter, der Geistliche und der Anstaltsarzt. Die Zahl der angestellten Aufseher und Aufseherinnen erhöhte sich im Lauf der Zeit beträchtlich: 1920 arbeiteten 50 Aufseher und 4 Aufseherinnen in der Strafanstalt, 1953 war die Zahl auf 80 Aufseher und Aufseherinnen gestiegen. Diese verfügten über keine spezifische Ausbildung im Strafvollzug; die Weiterbildung der Angestellten lag in den Händen der Anstaltsdirektion. 1960 bestand das Personal aus 103 Angestellten, 3 Beamten und 7 nebenamtlichen Angestellten, 1975 aus 125, zwischen 1987 und 1995 aus 220 hauptamtlich Angestellten. Die ursprüngliche Dominanz des Einzelhaftkonzepts machte sich bald an einem Mangel an Gemeinschaftsräumen und Arbeitsplätzen in den Werkstätten bemerkbar. Die Bauten wurden deshalb mehrfach erweitert und umstrukturiert. Ab den 1960er Jahren wurde immer häufiger ein Neubau gefordert. Die Anlage entsprach strukturell den zeitgenössischen Anforderungen an den Strafvollzug nicht mehr, weil sich die individuelle Behandlung verschiedener Tätergruppen nicht verwirklichen liess und zu wenig Gruppenräume zur Verfügung standen. Auch baulich war die Anlage inzwischen nur noch schwer zu unterhalten. So verfügten die Zellen bis 1995 über keinen Abwasseranschluss, Toiletten wurden im Kübelsystem verwendet, die Sicherheitsanlagen waren ungenügend. 1985 beschloss die Zürcher Stimmbevölkerung den Neubau der Strafanstalt. Mit dem Umzug in die neue Strafanstalt Pöschwies im Jahr 1995, die am bisherigen Standort errichtet wurde, wurden die veränderten Strafvollzugskonzepte auch baulich umgesetzt. Es entstand eine Reihe von pavillonartigen Bauten, die für jeweils unterschiedliche Risikogruppen mit spezifischen Sicherheitssystemen gebaut wurden. Neben den Abteilungen für den Normalvollzug wurden eine Hochsicherheitsabteilung, Abteilungen für lange Haftstrafen sowie für Häftlinge mit Suchtproblemen und eine Abteilung für Halbfreiheit ausserhalb der Mauern der Strafanstalt errichtet.
Direktoren: 1891-1920 Ferdinand Curti (1836-1921) 1920-1929 Karl Hafner (1878-1947) 1929-1947 Otto Heusser (1884-1949) 1947-1948 Statthalter Ernst Häberling (1890-1954) interim 1949-1954 Emil Reich (1900-1958) 1954-1957 Rudolf Rütti (1914-1977) 1958-1975 Emil Meyer (1909-1995) 1975-1987 Bernhard Conrad (1921-2008) 1987-1997 Hans Ulrich Meier (geb. 1945)
Benutzte Quellen und Literatur: Bleuler, Max: Die Strafanstalt Regensdorf ZH, Aarau/Frankfurt a. M./Salzburg 1983 Brütsch, Max: Kantonale Strafanstalt Pöschwies, Fragmente der Vergangenheit, Bd. I – VI, Regensdorf 1996-2006 Brütsch, Max, Meier, Hans Ulrich, Graf, Ueli und Naegeli, Andreas: Strafvollzug im Wandel, Vom Kloster Oetenbach über die alte Strafanstalt Regensdorf zur Justizvollzugsanstalt Pöschwies (Heimatkundliche Vereinigung Furttal, Mitteilungsheft Nr. 44), Buchs 2015 Curti, Claudia: Die Strafanstalt des Kantons Zürich im 19. Jahrhundert, Zürich 1988 Curti, Ferdinand: Reform-Vorschläge für den Strafvollzug im Kanton Zürich, mit wesentlicher Betonung des Bedürfnisses einer neuen Strafanstalt, s. l. 1891 Kantonsratsprotokoll vom 10.05.1898, S. 332-336 (StAZH MM 24.44 KRP 1898/0091) Kerstan, Anika: Ehem. Kantonale Strafanstalt, in: Die Kunstdenkmäler des Kantons Zürich, Neue Ausgabe Bd. VII, Bern 2023, S. 355-357 Regierungsratsbeschlüsse vom 16.07.1896 und vom 31.12.1896 (StAZH MM 3.10 RRB 1896/1273, StAZH MM 3.10 RRB 1896/2403) Zwyssig, Philip: Justizvollzugsanstalt (JVA) Pöschwies, in: Die Kunstdenkmäler des Kantons Zürich, Neue Ausgabe Bd. VII, Bern 2023, S. 357-358 |
Fondsgeschichte: | Die Ablieferung 2004/011 der Strafanstalt Regensdorf umfasste Strafvollzugsakten, Statistiken, Protokolle und Rapporte aus den Jahren 1958-1993. Sie wurde von März bis September 2005 als Z 200 durch Martin Akeret verzeichnet. Mit den Ablieferungen 1989/006, 1990/043, 1998/035, 1998/041 und 2009/054 gelangten weitere Personal- und Strafvollzugsakten aus den Jahren 1964-1998 sowie Jahresstatistiken und Register ins Staatsarchiv. Die Akten der Gefängnisdirektion aus den Jahren 1900-1989 wurden unter den Akzessionsnummern 1993/031 und 1993/039 abgeliefert und provisorisch verzeichnet (Zwischenarchiv). 2006 gelangte ausserdem einige Egodokumente von Gefangenen, wenige Akten aus der Strafanstalt Oetenbach und wissenschaftliche Studien zum Strafvollzug aus den Jahren 1828-1940 ans Staatsarchiv, die aus dem Nachlass von Pfarrer Martin Bäumle (1922-2005) stammen, der die Akten vermutlich aus Anlass einer Entsorgungsaktion der Bibliothek der Strafanstalt an sich genommen hatte (Ablieferung 2006/059). Die Erschliessung dieser acht Ablieferungen unter der Bestandessignatur Z 403 erfolgte von Januar 2010 bis Juni 2011 unter der Leitung von Bettina Tögel und Jolanda Hunziker durch Meryem Riahi, Peter Lehmann, Carmen Seyfried und Daniela Widmer. Die Insassendossiers wurden zuvor einer Nachbewertung nach systematischen und inhaltlichen Kriterien unterzogen (s. Klassenbeschrieb). Von Mai bis Juli 2012 erschloss Thomas Hutter unter der Leitung von Bettina Tögel unter der Bestandessignatur Z 497 die Ablieferung 2011/094, die die Vollzugsakten der Austrittsjahre 1999 und 2000 sowie Jahresstatistiken enthält. In diesen Bestand wurde auch ein Dossier integriert (Ablieferung 2012/065), das als Rückleihe aus einer früheren Ablieferung vorübergehend wieder in die Strafanstalt Regensdorf gelangt war. Die bisher im Bibliothekskatalog des Staatsarchivs verzeichneten Druckschriften der Strafanstalt Regensdorf wurden im November 2019 durch Aline Morgenthaler unter der Signatur DS 106 nacherschlossen. |
Related material: | P 282 a - P 295 a Kantonale Strafanstalt (1803-1926) P 901- P 904 Kantonale Strafanstalt Regensdorf (1830 (ca.)-1951) P 1401- P 1414 Justizdirektion, Strafanstalt Regensdorf (1945-1980) PP 54 - PP 73 Gefängniswesen (1800-1950) |
Bestände: | DS 106, Z 200, Z 403, Z 497 |
Level: | Fonds |
Weblinks: | Website der Justizvollzugsanstalt Pöschwies |
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Related units of description |
Related units of description: | Siehe: PP 54 - PP 73 Gefängniswesen, 1800-1950 (Fonds)
Siehe: P 901 - 904 Kantonale Strafanstalt Regensdorf, 1830 (ca.)-1951 (Klasse)
Siehe: P 1401 - P 1416 Justizdirektion, Strafanstalt Regensdorf, 1945-1980 (Fonds)
Fortsetzung siehe: Justizvollzugsanstalt Pöschwies, 1967-2021 (Fonds)
Fortsetzung von: P 282 a - P 295 a Kantonale Strafanstalt, 1803-1926 (Klasse)
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