Bezirksrat Winterthur, 1831-2011 (Fonds)

Archive plan context


Title:Bezirksrat Winterthur
Inhalt und Form:Der Fonds des Bezirksrats Winterthur besteht erstens aus administrativen Unterlagen (Behördenetats, Verwaltungsprotokolle, Korrespondenz), zweitens aus Unterlagen zur umfangreichen Aufsichtstätigkeit des Bezirksrats insbesondere über die Gemeinden sowie drittens aus Unterlagen zu dessen Funktion als Genehmigungs-, Rekurs- und Rechtspflegeinstanz. Er umfasst Akten seit der Schaffung der Behörde unter der neuen Verfassung von 1831, zudem einen Bevogtigungsetat der Gemeinde Zell, der bis 1814 zurückreicht.
Den Kern der Tätigkeit des Bezirksrats spiegeln etwa die Unterlagen über die Visitationen der Gemeinden, insbesondere aber auch die verschiedenen Aktengruppen zum Vormundschaftswesen (Vormundschaftsprotokolle und -etats, Elterninventare), zur Armenpflege (Protokolle der Bezirksarmenpflege) und zum Adoptionswesen.
Creation date(s):1831 - 2011
Creation date(s), scattered dates:from 1814
Running meters:21.94
Number:1173
Aktenbildner:Die Verfassung des Kantons Zürich von März 1831 sah vor, das Kantonsgebiet in elf Bezirke zu gliedern und zu deren Verwaltung Bezirksbehörden einzusetzen. Eine aus 200 Wahlmännern bestehende Bezirksversammlung wurde als Wahlbehörde für den Bezirksrat bezeichnet, wobei die Versammlung zwei Bezirksräte und zwei Ersatzmänner direkt wählen und für die Besetzung des Präsidiums (Statthalter) dem Regierungsrat einen Dreiervorschlag machen konnte.
Im Gesetz über die Bezirksverwaltung vom 20. Mai 1831 wurden die Zusammensetzung, das Wahlverfahren, die Amtsdauer (sechs Jahre) und die Aufgaben der Bezirksräte näher bestimmt. Der Bezirksratsschreiber, ernannt vom Bezirksrat, blieb während drei Jahren im Amt und hatte beratende Stimme.
Als "verlängerter Arm des Regierungsrats" war der Bezirksrat ursprünglich insbesondere für den Gesetzesvollzug und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit verantwortlich. Eine zentrale Funktion bestand in der Aufsicht über die Verwaltung der Gemeinden und ihrer Güter. Verschiedene Aufgaben versah der Bezirksrat überdies in den Bereichen Vormundschaft sowie Waisen- und Armenpflege (Verfassung 1831, §§ 74, 75; Gesetz betreffend die Vormundschaft 1840). Als Genehmigungsinstanz trat der Bezirksrat unter anderem in den Bereichen Bürgerrecht, Adoption, Grundeigentum oder Erbschaften auf (Privatrechtliches Gesetzbuch 1853).
Die Kantonsverfassung von 1869 bestimmte neu, dass die Wahl der Bezirksräte direkt durch die Stimmbürger und nicht mehr durch eine Bezirksversammlung erfolgte. Zudem wurde die Amtsdauer auf drei Jahre festgesetzt.
Als erste Aufgaben der Bezirksräte nennt die Verfassung von 1869, Art. 45, weiterhin die Aufsicht über die Verwaltung der Gemeinden und ihrer Güter sowie die Aufsicht über das Vormundschaftswesen. Dazu kamen in gewissen Fällen die zweitinstanzliche Entscheidkompetenz in Vormundschafts- und Armensachen sowie die erstinstanzliche Entscheidkompetenz in Verwaltungssachen.
Mit dem Gesetz betreffend die Organisation der Bezirksbehörden von 1901 blieb der Kompetenzumfang der Bezirksbehörden im wesentlichen unverändert.
Mit der Verfassungsänderung vom 7. Sep. 1932 wurde die Amtsdauer der Bezirksräte und ihrer Beamten auf vier Jahre erhöht.
In § 2 des Gesetzes über die Bezirksverwaltung von 1985 (BezVG, LS 173.1) werden die Bezirksräte, die Statthalterämter, die Bezirksschulpflegen, die Bezirksjugendkommissionen und die Bezirkskirchenpflegen als Bezirksverwaltungsbehörden bezeichnet. Als Hauptaufgabe weist das Gesetz dem Bezirksrat die Aufsicht über die Gemeinden und den Entscheid über Rechtsmittel in Gemeindesachen zu, zudem Bezirksaufgaben, für die keine andere Bezirksbehörde zuständig ist.
Die Aufgaben und Funktionen der Bezirksräte blieben also seit 1831 in wichtigen Bereichen relativ konstant: Seit jeher zentral ist insbesondere die Aufsicht über die Gemeinden. Ebenfalls von Anfang an waren die Bezirksräte erste Rechtsmittelinstanz bei Streitigkeiten in Verwaltungsangelegenheiten.
Hingegen wurden die Kompetenzen im Bereich Vormundschaft mehrfach modifiziert. Die Verfassung von 1831 legte fest, dass die Bezirksräte die Aufsicht über die Waisenpflege der Gemeinden wahrnehmen und zu diesem Zweck jährlich die Inventare und Rechnungen, die Vormundschafts-Etats sowie die Schirmladen in den Gemeinden überprüfen sollten. Das 1841 erlassene Gesetz über die Vormundschaft bestimmte, dass der Bezirksrat zu einer Vormundschaftsbehörde mit Weisungskompetenz wurde. Als erste Instanz wurde der Gemeinderat derjenigen Gemeinde bezeichnet, deren Bürger der Bevogtigte war. In zweiter Instanz übte der Bezirksrat die Obervormundschaft aus. Neben die Aufsicht über das Vormundschaftswesen in den Gemeinden trat damit unter anderem die Aufgabe, bei Rekursen und Beschwerden zweitinstanzlich zu entscheiden.
Einen weiteren Kompetenzzuwachs in Vormundschaftsangelegenheiten erhielten die Bezirksräte durch das Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch von 1911. Auf Antrag eines Gemeinderates konnten sie den Entzug bzw. die Wiederherstellung der elterlichen Gewalt sowie die Entmündigung bzw. die Aufhebung einer Vormundschaft verfügen.
Erst mit der Totalrevision des Vormundschaftsrechts zu Beginn des 21. Jahrhunderts büsste der Bezirksrat in diesem Bereich an Einfluss ein. Das Einführungsgesetz zum Kindes- und Erwachsenenschutzrecht von 2012 bezeichnet die Bezirksräte nur noch erste Beschwerdeinstanzen für Entscheide der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden.
Substanziell gewandelt hat sich der Einfluss des Bezirksrats auch im Bereich der Aufsicht über die betriebliche Personalvorsorge. Festgelegt wurde diese Funktion erstmals im Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch von 1911. 1991 wurde das kantonale Amt für berufliche Vorsorge mit dieser Aufgabe betraut.
Neben diesen Beschneidungen des Aufgabenspektrums wurden den Bezirksräten hie und da aber auch zusätzliche Funktionen übertragen, etwa diejenige einer Rekurs- und Rechtsmittelinstanz in Schulangelegenheiten (übernommen von den 2007 aufgelösten Bezirksschulpflegen) oder bestimmte Aufgaben bei der Umsetzung des Bundesgesetzes über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland von 1983.

Benutzte Quellen und Literatur:
Staatsverfassung für den Eidgenössischen Stand Zürich vom 10. März 1831
Gesetz über die Bezirksverwaltung vom 20. Mai 1831
Gesetz betreffend die Vormundschaft vom 1. Nov. 1841
Privatrechtliches Gesetzbuch für den Kanton Zürich. Mit Erläuterungen herausgegeben von Dr. Johann Caspar Bluntschli, Erster Band: Personen- und Familienrecht, Zürich 1854
Gesetz betreffend die Bezirksversammlungen, die Statthalter und die Bezirksräte vom 9. Apr. 1856
Verfassungsgesetz vom 29. Aug. 1865 betreffend Abänderung der Art. 72 und 73 der Verfassung, enthaltend Bestimmungen über die Bezirksversammlungen und die Wahl der Statthalter und Bezirksräthe
Verfassung des Standes Zürich vom 18. Apr. 1869
Gesetz betreffend die Organisation der Bezirksbehörden vom 1. Juli 1901
Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch vom 2. Apr. 1911
Verfassungsänderung Artikel 11, Absatz 1, vom 7. Sep. 1932
Gesetz über die Wahlen und Abstimmungen (Wahlgesetz) vom 4. Dez. 1955
Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland vom 16. Dez. 1983
Gesetz über die Bezirksverwaltung vom 1. Juli 1985
Einführungsgesetz zum Kindes- und Erwachsenenschutzrecht vom 25. Juni 2012
Jaag, Tobias, und Rüssli, Markus: Staats- und Verwaltungsrecht des Kantons Zürich, 4. Auflage, Zürich 2012
Fondsgeschichte:Die Unterlagen des Bezirksrats Winterthur kamen mit Ablieferung 2012/012 ins Staatsarchiv. Die Ablieferung wurde in zwei Bestände gegliedert (Z 628 und Z 645) und mit Bestand Z 297 vereinigt, der sich bereits im Staatsarchiv befand.
Bestand Z 297 umfasst 88 Bände (Protokolle, etwa der Bezirksarmenpflege, und Verzeichnisse, zum Beispiel Bevogtigungsetats).
Bestand Z 628 umfasst ausschliesslich Unterlagen zur Aufsicht über die Personalvorsorgestiftungen.
Bestand Z 645 umfasst insbesondere Verwaltungsprotokolle und Vormundschaftsprotokolle, dazu Akten die im Rahmen der Funktion des Bezirksrats als Genehmigungsinstanz entstanden.
Die Erschliessung erfolgte zwischen Dezember 2014 und Februar 2016 in zwei Teilprojekten. Sie wurden von Jan Kiepe und Barbara Dürr geleitet; unterstützt wurden sie von Flurina Camenisch und Elias Oswald.
Related material:Parallelbestände zu allen anderen Bezirken des Kantons Zürich finden sich im Provenienzarchiv in der Abteilung Bezirksbehörden.
Bestände:Z 297, Z 628, Z 645
Level:Fonds
Weblinks:Website des Bezirksrats Winterthur
 

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