Zinskommission Leu, 1750-1815 (Fonds)

Archive plan context


Title:Zinskommission Leu
Inhalt und Form:Der Fonds besteht aus den zehn Büchern der Zinskommission Leu von der Gründung als Staatsbank 1755 bis zu ihrer Privatisierung 1798. Die Bücher umfassen nebst dem Protokoll, das Aufzeichnungen zur Organisation und der Geschäftstätigkeit enthält, die Hauptbücher (Auflistungen von Soll und Haben der einzelnen Debitoren), die Kopierbücher, ein Bilanzbuch sowie ein Urbar, das Abschriften von Schuldverschreibungen enthält. Die Einträge sind in deutscher und französischer Sprache abgefasst.
Andere Namen:Zinskommission Leu & Co(mp).
Leu & Cie.
Bank Leu AG
Leu Holding
Clariden Leu AG
Creation date(s):1750 - 1815
Running meters:2.04
Number:10
Aktenbildner:Vorgeschichte
Unter der Kompetenz des Kleinen Rates waren für die Beaufsichtigung der inneren Verwaltung des Stadtstaates Zürich etliche Kommissionen zuständig. Im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung setzte der Kleine Rat 1710 eine Zinskommission (gemeint ist nicht die Zinskommission Leu, sondern die so genannten Schuldbriefherren, Kurzform für "die Aufsicht des wegen Verzinsung der Schuldbriefen ergangenen Mandats verordneten Herren") ein, welche die obrigkeitlichen Zinsvorschriften zu kontrollieren und durchzuführen hatte. Die Zinskommission war ursprünglich nur ein Organ zur Aufsicht über die Durchführung der obrigkeitlichen Zinsmandate, d. h. ein vollziehendes Organ der Zinspolitik der Regierung. Um zu verstehen, wie aus der rätlichen Zinskommission die Zinskommission Leu entstanden ist, ist ein kleiner Exkurs zur Wirtschaftsgeschichte und der Zinspolitik im Stadtstaat Zürich notwendig.
Mit dem Wiederaufblühen der Seidenindustrie im 17. Jahrhundert nahm das Vermögen der Bürgerschaft dauernd zu. In der Folge wurden für immer grössere Geldsummen verzinsliche Anlagen gesucht. Eine der wenigen Möglichkeiten war, die Kapitalien an die Bauern in der Zürcher Landschaft gegen hypothekarische Schuldverschreibungen auszuleihen. Die Schuldenlast nahm immer grössere Ausmasse an, unter anderem wegen den Zinsmandaten der Jahre 1529, 1545 und 1551, die das Ausleihen mit einem höheren Zinsfuss als 5 % unter Strafandrohung verbot. Weiter verschärft wurde diese negative Entwicklung mit der Entwertung der Gült- und Schuldbriefe; diese wurden vielfach aufgekündigt gegen neue Schuldbriefe mit einem Zinsfuss von nur 4% oder weniger. Die so aufgehäuften Kapitalien wurden zunehmend unsicher. Die Regierung versuchte vergeblich dieser Entwicklung mit weiteren Zinsmandaten (1674, 1675) entgegenzuwirken. Eine Antwort war das Mandat des Jahres 1710, welches das Ausleihen unter einem Zinsfuss von 5 % verbot. Das Mandat konnte aber nicht verhindern, dass der Zinsfuss in der Realität weiter sank; die Zahl der unter 5 % abgeschlossenen Kreditgeschäfte nahm weiterhin zu. Zudem blieb das Grundproblem bestehen, dass es fast keine Möglichkeiten im Stadtstaat Zürich gab, um das Kapital (gewinnbringend) anzulegen. Auch die bereits erwähnte besondere Kommission (die so genannten Schuldbriefherren), die 1710 einberufen wurde, vermochte nicht das Mandat von 1710 durchzusetzen. Weitere Mandate folgten 1715 und 1728. Darin heisst es: "Wir haben warnehmen müssen, dass Unser in Anno 1710 wider das ohngebührliche Geld-Ausleihen um mehr oder weniger als Fünf von den Einhundert in Truck ausgegebene Mandat (...) schlechtlich beobachtet worden, so dass dergleichen gefahrliche Geld-Anleihungen viel mehr zu- als abgenommen." (zitiert in Landmann, S. 19). Um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurden die hypothekarisch versicherten Anleihen zu 4 % die Regel und die Überschuldung des ländlichen Grundbesitzes und die Steigerung des Bodenpreises erreichten ihren Höhepunkt.
Am 19. Dezember 1750 legten die zur Aufsicht des wegen Verzinsung der Schuldbriefen ergangenen Mandats verordneten Herren (kurz die Schuldbriefherren, siehe oben) dem Kleinen Rat ein Gutachten (Abschrift in: StAZH W II 21.10, S. 1-5) vor, in welchem vorgeschlagen wurde, dass dem anlagesuchenden Kapital ein Abfluss ins Ausland zu verschaffen sei, um dem fortschreitenden Verfall der Zinsen entgegenzuwirken. Damit wurde ein vollständiger Bruch der bisherigen Zinspolitik vorgeschlagen. Am 18. Januar 1751 wurde das Geschäft im Kleinen Rat behandelt. Dieser erweiterte die "Kommission zur Aufsicht der Gelterverzinsung" um fünf weitere neugewählte Mitglieder und erteilte den Auftrag, das Gutachten auszuarbeiten und so in erweiterter Form erneut dem Kleinen Rat vorzulegen.
Die Kommission setzte zur Vorbereitung eine Subkommission ein, die dem erweiterten Gutachten eine wesentliche Änderung gab. In diesem Gutachten riet die Subkommission, die institutionelle Voraussetzung für eine vermehrte Kapitalanlage zu schaffen. Das zu gründende Institut sollte zwar staatlich, aber von der Finanzverwaltung unabhängig sein und seinen eigenen Fonds sammeln. Conrad Heidegger (1710-1778), ab 1768 Bürgermeister von Zürich, der diesen Plan entwickelte und als Schreiber und Berichterstatter der Subkommission fungierte, empfahl, die Regierung solle der Zinskommission als Gründungskapital 50`000 Gulden zur Verfügung stellen und sie ermächtigen, im Inland gegen Ausgabe von Obligationen Geld von öffentlichen und privaten Anlegern entgegenzunehmen, das dann im Ausland angelegt werden sollte (vgl. Abschrift in: W II 21.10, S. 8ff).
Das erweiterte, von Heidegger ausgearbeitete Gutachten der Subkommission lag am 1. Juni 1751 vor und wurde der Kommission (Schuldbriefherren) am 30. Juni 1751 vorgelegt und einstimmig angenommen.

Gründung der Zinskommission Leu
Johann Jacob Leu (1689-1768), ab 1759 Bürgermeister von Zürich, vertrat die Sache vor dem Kleinen Rat, der das Geschäft am 17. November 1751 behandelte. Der Kleine Rat wollte aber dieses bedeutende Geschäft nicht allein entscheiden und wies es an den Grossen Rat weiter. Dieser nahm das Geschäft aber erst nach zwei Jahren, am 18. Juni 1753, an die Hand. Doch auch diesmal blieb der Abschluss des Geschäftes verwehrt. Es wurde ein weiteres Gutachten verlangt, worin der "Rahtschlag wohlbedächtlich fortzusetzen, in ausführliche Vollkommenheit zu bringen und solchen mit möglichster Beförderung an hohe Behörde zu tragen". Wieder trat die Subkommission unter Federführung von Conrad Heidegger in Aktion. Das zweite Gutachten, das keine wesentlichen Änderungen enthielt, wurde am 28. Januar 1754 dem Grossen Rat überreicht, der am 11. Februar 1754 seine Zustimmung erteilte. Dieser Beschluss gilt als die eigentliche Stiftungsurkunde der Zinskommission Leu (Abschrift in: StAZH W II 21.10, S. 72-75) und folgt den beiden Gutachten in allen grundsätzlichen Punkten.
Das Geschäft wurde an den Geheimen Rat verwiesen, der vor allem noch die Finanzierung des Fonds beriet, so dass die neu geschaffene Zinskomission ihre Tätigkeit bald aufnehmen konnte. An der konstituierenden Sitzung wurde Johann Jacob Leu zum ständigen Präsidenten der Zinskommission ernannt, die fortan seinen Namen tragen sollte (Beschluss in: StAZH B II 86, S. 143 f.).

Zinskommission Leu als staatliche Bank
Am 15. April 1755 nahm die Zinskommission Leu im Rathaus von Zürich erstmals Publikumsgeld entgegen. Nach aussen trat sie als Firma mit dem Namen Leu & Comp. auf. Die Zinskommission Leu hatte schnell Erfolg bei der Annahme verzinslicher Depositen gegen Ausgabe von Obligationen (Rathausobligationen) und mit der Anlage in ausländischen Staatsanleihen. Zu den Kunden gehörten u. a. Maria Theresia von Österreich, das französische Königshaus und das Haus Fürstenberg. Zu den Darlehen an Staaten und Fürsten kamen in kleinerem Umfang solche an Klöster hinzu, z. B. an Rheinau, Engelberg oder St. Blasien, aber auch an das Domstift in Konstanz.

Überführung in eine private Gesellschaft
1755 als Staatsbank des Zürcher Stadtstaats gegründet, rettete sich die Bank 1798 mit einer Schnellprivatisierung vor der Konfiskation ihrer Einlagen und Vermögenswerte durch die vorrückenden französischen Truppen.
Als die Truppen in Zürich einmarschierten, waren Rathausobligationen im Wert von rund 2.7 Millionen Gulden im Umlauf. Dem standen Darlehensforderungen von 1.9 Millionen Gulden gegenüber. Die Zinskommission Leu wurde auf eine privatrechtliche Grundlage gestellt, und mit einer stattlichen Zahlung an die Franzosen konnte das Institut gerettet werden.

Literaturhinweise:
- Landmann, Julius: Leu und Co. 1755-1905. Ein Beitrag zur Geschichte der öffentlichen und privaten Kreditorganisation, Zürich 1905.
- Vogt, Marianne. Johann Jacob Leu, 1689-1768. Ein zürcherischer Magistrat und Polyhistor. Zürich 1976 (MAGZ. 47/1).
Fondsgeschichte:Die Stadt Zürich und die Clariden Leu AG vereinbarten 2010, die Unterlagen der Zinskommission Leu von ihrer Gründung bis zur ihrer Privatisierung 1798 öffentlich zugänglich zu machen und im Staatsarchiv des Kantons Zürich zu deponieren (vgl. Protokoll des Stadtrats Zürich vom 26. Mai 2010, Nr. 885). Damit sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Zinskommission Leu in der fraglichen Zeit als staatliche Einrichtung fungierte. Bis zur Deponierung der Unterlagen im Staatsarchiv des Kantons Zürich im Dezember 2011 (Ablieferung 2011/123) wurden die Unterlagen der Zinskommission Leu von den Rechtsnachfolgern des Aktenbildners betreut.
Die Erschliessung erfolgte durch Denise Thoma im Juli 2012. Die im Auftrag der Deponentin durch eine externe Firma hergestellten Digitalisate wurden durch Matthias Wild aufbereitet.
Access regulations:Die in den Bänden enthaltenen Einträge von der Gründung bis zur Privatisierung der Zinskommission Leu können in digitalisierter Form als PdF im Lesesaal des Staatsarchivs Zürich konsultiert werden. Die deponierten Originale stehen nicht zur öffentlichen Benutzung zur Verfügung. Ausnahmen hiervon unterliegen der Bewilligung durch die Deponentin.
Bestände:W II 21
Level:Fonds
 

Related units of description

Related units of description:Siehe:
III AAb 1.9, Nr. 47 Mandat der Stadt Zürich betreffend Verzinsung von Geldleihen, 1728 (Dokument)

Siehe:
III AAb 1.8, Nr. 52 Mandat der Stadt Zürich betreffend Verzinsung von Geldleihen, 1715 (Dokument)

Siehe:
III AAb 1.8, Nr. 4 Mandat der Stadt Zürich betreffend Verzinsung von Geldleihen, 1710 (Dokument)
 

Usage

Permission required:[Leer]
Physical Usability:Uneingeschränkt
Accessibility:[Leer]
 

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