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D Archiv des Kaufmännischen Direktoriums, 15. Jh.-19. Jh. (Fonds)
Ref. code: | D |
Title: | Archiv des Kaufmännischen Direktoriums |
Inhalt und Form: | 1. Kaufmännisches Direktorium
Entstehung, Aufgaben: Das gegen Ende des 16. Jahrhunderts aufkommende und rasch expandierende Textilgewerbe verlangte in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts immer mehr nach einer Organisation. Es galt vereint der Colbertschen Zollpolitik in Frankreich entgegenzutreten, das Vorrecht der Stadtbürger, allein zu fabrizieren und zu handeln, gegen die Stadt Winterthur und gegen die Landbewohner zu verteidigen, die Produktion des eigenen Landes gegen umliegende Konkurrenz zu schützen und überhaupt alles "ze Uffnemmen und Befürderung der Commercien" mit Seide, Wolle und Baumwolle zu unternehmen. In einer am 30. Oktober 1662 durch den Rat bestätigten Gründungsurkunde (u. a. D 190) wurde die Wahl von sieben Direktoren vorgesehen. Gleichzeitig übertrug man ihnen folgende Aufgaben: - Regelung des Zoll-, Post- und Transportwesens, Makler- und Börsenwesen - Aufsicht über die Verlagsarbeiter - Gewerbe- und Qualitätskontrolle - Schiedsrichterliches Eingreifen bei Handelsstreitigkeiten Das hier umschriebene Pflichtenheft veränderte sich im wesentlichen bis zu Ende des Ancien Régimes nicht. Schwerpunkte bildeten die Bemühungen, sich die französischen Zollprivilegien (Messe zu Lyon) zu erhalten sowie das geschäftsmässige Betreiben des Postdienstes. Mit der Französischen Revolution fielen die Privilegien; Frankreich gewährte keine Zollfreiheiten mehr, die Gewerbefreiheit ermöglichte jedermann zu produzieren. Als dann schliesslich 1803 das Postregal an den Staat überging, schwand die Bedeutung des Direktoriums zusehends. Bis 1834, als es durch die kantonale Handelskammer abgelöst wurde, galt es nunmehr in erster Linie, das beträchtliche Vermögen (1834 über 1 140 000 Gulden) zu verwalten.
Organisation: Die sieben (nach 1710 zwölf) durch die Kaufmannschaft gewählten Direktoren, von denen alle Jahre einer zurücktreten musste, bestimmten ihrerseits einen Präsidenten auf Lebenszeit. Der Direktorial-Fond - jeder Kaufmann und Fabrikant hatte von importierten und exportierten Textilien eine gewisse Taxe zur Deckung der "Unkosten" zu entrichten - wurde durch einen "Quästor" verwaltet. Seit den 1690er Jahren amtierte der erste Ratssubstitut als "Sekretär" oder "Aktuar". Eine wichtige Stellung kam den durch die Kaufmannschaft gewählten (im 18. Jahrhundert drei) "Sensalen" zu; sie arbeiteten gegen Provision als Makler auf den ausländischen Märkten, stellten den Kontakt zwischen Kaufleuten und Abnehmern her. Einem der Direktoren wurde das Postamt übertragen, und zwar meist einem Mitglied der Familie Hess, die vor 1662 schon eine private Post eingerichtet hatte. Mit seinen Boten, Kutschern und Filialhaltern bildete das Postamt einen eigentlichen Betrieb, der dem Fond anscheinend recht grosse Erträge zuführte. Die Direktoren hatten zwar die Kompetenz erhalten, für die Kaufmannschaft verbindliche "Ordnungen und Satzungen, ... welche sie gmeinen Handlungen zum besten ansehen werdent", in Kraft zu setzen. Im Verkehr mit anderen Staaten (beispielsweise wegen der Zollprivilegien) oder allgemein bei Geschäften, die über die interne Organisation hinausführten, blieb man indes auf die Obrigkeit angewiesen, die sich die Siegelgewalt vorbehielt.
2. Schweizer Nation zu Lyon
Der durch Handelsprivilegien begünstigte Absatz der Produkte auf der Lyoner Messe war für die schweizerische und zürcherische Wirtschaft im Ancien Régime von entscheidender Bedeutung. Es ist so nicht verwunderlich, dass sich seit dem 16. Jahrhundert Vertreter zuerst der St. Galler Textilfirmen in Lyon zu organisieren begannen. In erster Linie trieben sie natürlich Geschäfte für ihre Stammhäuser, zusehends schalteten sie sich jedoch auch in den Kampf um die Erhaltung der 1516 und früher ihnen erteilten Handelsfreiheiten sowie ins Postgeschäft (Gründung des "Ordinari") ein. Bis ins 17. Jahrhundert noch Teil der "deutschen Nation" ("nationes" als Begriff für die ausländischen Handelskolonien in Lyon), wuchsen die schweizerischen Agenten unter Führung von St. Gallen immer mehr zur"Nation Suisse" zusammen. Sie stand unter der Leitung des Syndics und bestritt ihre aus den Bemühungen um die Privilegien entstehenden Kosten (Gesandtschaften, Zollpauschale, Bestechungsgelder) aus Einnahmen wie "Ballengelder" und "Subventionen" von nach Lyon ausgeführten Waren und aus der Post. Dank der Zürcher Kaufmannschaft konnte das Archiv des St. Galler bzw. Schweizer Syndikats zu Lyon aus dem revolutionären Frankreich geschafft und so bewahrt werden, wie aus einer "Weisung" des kaufmänischen Direktoriums vom 1. Juni 1795 an den Rat hervorgeht: "Die Verbindung, in welcher wir von jeher mit den schweizerischen Kaufleuthen in Verbindung gestanden, verursachte, dass vor ungefähr ein paar Jahren, als die dortigen Schweizer theils durch Emigration, theils sonsten in ihr Vaterland zurückkehrten, der 80-jährige Herr Scherb, damahliger Syndic der Schweizerischen Nation in Lyon, sich bej uns um möglichstes Verwenden ersuchte, dass er für die ungehinderte Rükkehr in sein Vaterland, sowohlfür sich selbsten als auch für die der Nation zugehörenden, die Schweizer Freyheiten in Lyon betretende Original Documenta und Schriften, die er uns zu Aufbewahrung zu übersenden versprach, mit nöthigen Passeport und Bewilligungen versehen werden möchte. Wir glaubten uns verpflichtet, unser möglichstes dazu beyzutragen, haten auch das Vermügen, Passeport auszuwirken für die Person dieses Greises und die der Schweizer Nation gehörige Documente. Beide kamen würklich in Biel an, aber seine kränklichen Umstände und darauf erfolgtes seliges Ableiben behinderten ihne an der Einsendung der questionierlich versprochenen Documenten. Nachhero wurden selbe sowohl schrift- als mundlich von seinen fehrner in Biel sich aufhaltenden Erben abgefordert, die Extradierung aber bis auf jezo wiederholten Versprechen zuwider unter unterschiedlich vorgegebenen Gründen nicht zu erhalten. Da nun ungeachtet aller Mühe mehr besagte Documenta nicht zue Hande zu bringen gewesen, hernach selbe nur als pur historische Urkunden betrachtet der Nation zur Ehre gereichen, verdienen (sie) in einem eidgenössischen Archiv - und wo anderst als hier? - aufbehalten zu werden, zu mahlen würklich königliche Original darunter seyn sollen. So nehmen (wir) die Freyheit Euer Gnaden und Euch unseren Gnd. H. Herrn und Oberen von diesem Geschäfte zu benachrichtigen und hochdieselben vehrenbietigst zu bitten, den lobl. Magistrat zu Biel zu ersuchen, die Auslieferung dieser ... Schriften zu besorgen ..." [aus: A 75]. Im Oktober 1795 befand sich dann das Syndikats-Archiv dann bereits in Zürich [D 20, S. 21].
Übersicht über den Fonds und die miteinander vermengten Archivbestände des zürcherischen Direktoriums und der Nation Suisse: D 1-25 = Protokolle des Direktoriums D 26-49 = Missiven, Instruktionen, Abschiede etc. des Direktoriums D 50-51 a = Kauf- und Waaghaus-Kommission des Direktoriums D 52 a-59 = Ragionen der zürcherischen Kaufleute D 60-102 b = Ältere Akten des Direktoriums D 103-126 = Neuere Akten des Direktoriums D 127-132 = Hesssche Kopiensammlung betr. Frankreich (Direktorium) D 133-143 = Annales u. a. Kopienbücher der Nation Suisse D 144 = Hesssches Kopienbuch betr. Seuchen (Direktorium) D 145-146 = Schweiz. Handelszeichen beim Lyoner Zoll (Nation Suisse) D 147-148 = Pergamenturkunden der Nation Suisse D 149-176 = Akten der Nation Suisse D 177-180, D 181 b = Hesssche Kopiensammlung u. a. betr. österreichische Zölle (Direktorium) D 181 a, D 182-183 a = Rechnungsbücher der schweizerischen (und deutschen) Nation D 184, D 184 a-b = Rechnungen über den Direktorial-Fond D 185-187 = Verwaltungs-, Rechnungs- und Geschäftsbücher des St. Galler Postamtes und Syndikates (Ordinari) zu Lyon. D 188-206 = Sammlungen von Ordnungen und Erlassen, Hess'sche Sammlung betr. Gegenrecht, Archivverzeichnisse, Varia, alles Direktorium
Literatur: - Grossmann, Marcel. Das Kaufmännische Direktorium in Zürich, 1662-1834. Dissertation. Zürich 1927 (Schweizer Studien zur Geschichtswissenschaft. 18/3). - Schneider, Hedwig. Die bernische Industrie- und Handelspolitik im 17. und 18. Jahrhundert. Diss. Zürich 1937. - Wild, Ella. Die eidgenössischen Handelsprivilegien in Frankreich, 1444-1635. St. Gallen 1915 (Mitteilungen zur vaterländischen Geschichte. 32).
(Text übernommen aus der Einleitung von Otto Sigg zum analogen Standortkatalog, April/Mai 1971). |
Creation date(s): | 15th cent. - 19th cent. |
Number: | 205 |
Level: | Fonds |
Ref. code AP: | D |
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Related units of description |
Related units of description: | Siehe: KAT 309 - KAT 317 Kaufmännisches Direktorium: Sachregister (D 1 - D 206), 1792-1793 (Klasse)
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Usage |
Permission required: | [Leer] |
Physical Usability: | Uneingeschränkt |
Accessibility: | [Leer] |
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URL for this unit of description |
URL: | https://suche.staatsarchiv.djiktzh.ch/detail.aspx?ID=259089 |
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